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'''3.1 Unternehmenskultur'''
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'''Einleitung und theoretischer Hintergrund'''
Kulturen entstehen immer dort, wo Menschen miteinander in Interaktion stehen. Demzufolge bildet sich ebenso in Unternehmen eine besondere Form des kulturellen Wissens aus, die sich in dessen Werten, Normen, Haltungen und Ethik widerspiegelt (vgl. Icks 2012, S. 125). Die Unternehmenskultur als Phänomen wird seit den 80er Jahren zunehmend intensiver in der Managementlehre und -praxis diskutiert. Damalige Studien identifizierten die Unternehmenskultur als weichen Einflussfaktor für die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens (vgl. Homma & Bauschke 2010, S. 15).
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Als Einführung in das Kapitel wird zunächst der Begriff der Unternehmenskultur spezifiziert. Es folgt zur weiteren thematischen Vertiefung die Vorstellung des Drei-Ebenen-Modell der Unternehmenskultur nach Schein, das die Unternehmenskultur in seinen einzelnen Facetten näher beschreibt. Anschließend werden die Funktionen der Unternehmenskultur erläutert sowie der Zusammenhang zwischen Unternehmenskultur und Wettbewerbsvorteil herausgestellt. Abschließend wird aufgezeigt, wie Unternehmenskultur erfolgreich modifiziert werden kann.
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'''3.1.1 Begriffsbestimmung von Unternehmenskultur'''
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Zunächst wird hier ein Überblick über die Möglichkeiten zur Organisationsberatung aufgezeigt, um die klassische Organisationsberatung und andere Ansätze von dem systemischen Coaching abgrenzen zu können. Anschließend werden die Rahmenbedingungen und Grundlagen der systemischen Beratung in Organisationen definiert, um die späteren Handlungsweisen und Methoden sinnvoll einsetzen zu können. Hierzu wird das systemische Coaching durch die Darstellung der theoretischen Grundlagen definiert und ihr Handlungsspielraum in Abgrenzung zur Psychotherapie festgelegt. Anschließend wird das Profil eines Beraters dargelegt und die Phasen des Beratungsprozesses mit jeweiligen Handlungsanweisungen aufgezeigt, um abschließend eine Sammlung von Methoden zur systemischen Organisationsberatung im Bereich der Führung, Teambildung und Kommunikation zu erhalten.
Jedes Unternehmen verfügt über eine Kultur. Mit der Unternehmensgründung entsteht die Grundlage für die eigene Kultur, die sich je nach Entwicklung des Unternehmens stärker oder schwächer im Zeitverlauf ausbildet. Die Kultur eines Unternehmens ist nicht auf dem ersten Blick ersichtlich. Denn sie setzt sich zusammen aus grundlegenden kollektiven Überzeugungen und Werten, die sich im Denken, Handeln und Fühlen der Beschäftigten widerspiegelt. Dementsprechend ist die praktizierte Kultur charakteristisch für das gesamte Unternehmen (vgl. Sackmann 2004, S. 24).
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Die klassische Unternehmensberatung entwickelte sich zeitgleich mit der psychologischen Systemberatung seit den 60er-Jahren. Dabei standen technische und wirtschaftliche Aspekte im Vordergrund. (vgl. Migge, 2007) Verschiedene Aspekte, wie der schnelle technische Fortschritt, stark umkämpfte Märkte und die Folgen der Globalisierung machten es nötig, dass Organisationen ihre Strukturen und Prozesse drastisch veränderten. Daher wurde die Organisationsberatung zur Verbesserung von Produktivität und Effizienz immer wichtiger. Hinzu kamen gesetzliche Veränderungen und gezielte Kunden- und Zukunftsorientierung, die sich auf Innovation und Umweltbewusstsein stützten. (vgl. Ameln u. a., 2009) Erst in den 80er-Jahren kam die Tendenz auf auch in nicht Profit orientierten Organisationen tätig zu werden, bspw. in Bildungsstätten, Schulen und sozialen Einrichtungen. Dies führte zu einer inhaltlichen Umstrukturierung in den psychologischen und soziologischen Bereichen. (vgl. Migge, 2007)
Demnach definiert Icks (2012, S. 125) die Unternehmenskultur als „die Grundgesamtheit gemeinsamer Werte, Normen und Einstellungen, die Entscheidungen, Handlungen und Verhalten der Mitarbeiter auf allen Ebenen der Hierarchie im Unternehmen prägen“. Hierbei umfasst sie nach Homma und Bauschke (2010, S. 15) unterschiedliche Merkmale, wie „das Betriebsklima, das Führungsverhalten, aber auch Leistungskriterien und Belohnungssysteme bis hin zu Organisationsstrukturen und Abläufen“. Berner (2012, S. 14f.) ergänzt seine Definition von Unternehmenskultur durch weitere Aspekte, wie u.a. der Geschichte und Erfahrungen eines Unternehmens sowie seiner hieraus resultierenden Lernprozesse.  
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Die daraus entstandenen Beratungsformen sind vielfältig und beziehen sich auf die verschiedenste Aspekte und Zielsetzungen. Unterscheiden lassen sich zunächst die Strategieberatung und die Prozessberatung. Die Strategieberatung bezieht sich auf die Bewertung der betriebswirtschaftlichen Belange eines Unternehmens. Der Berater hat dabei die Aufgabe dem Unternehmen bei der Verbesserung von z.B. Organisationsstrategien, Umgestaltung der Organisationsstruktur und Erschließung neuer Märkte zu helfen, indem er die Strukturen und Prozesse sowie Marktlage und Konkurrenzsituation zunächst analysiert und anschließend Vorschläge zu Verbesserung anstellt. Das Management ist dabei der Hauptansprechpartner des Beraters. Die Strategieberatung geht davon aus, dass Organisationen wie Maschinen funktionieren. Demnach sei eine Organisation durch feste, klar definierte Abläufe gekennzeichnet, die es zu optimieren gilt, um maximale Effizienz zu erreichen. Unterbrechungen oder Störungen in den Abläufen entstehen bei dieser Ansicht und damit auch bei der Strukturberatung, da nicht berücksichtigt wird, dass die Mitarbeiter eines Unternehmens individuelle Ziele und Wünsche haben, Entscheidungen nicht immer rational gefällt werden und die Abläufe in einer Organisation nicht linear, sondern zirkulär sind und somit nicht vollständig berechnet werden können. (vgl. Ameln u. a., 2009) Diese Art der Organisationsberatung beachtet also nicht, dass Unternehmen Systeme sind in denen Menschen agieren. Unternehmen müssen somit als nicht-triviale Maschinen, die nicht durch reine Kausalität und von außen gesteuert oder bewertet werden können, sondern sich wandeln und eigendynamisch sind, bezeichnet werden (vgl. Von Schlippe & Schweitzer 2002, S. 55ff). Eine andere Form der Beratung ist die Prozessberatung. Sie hat das Ziel die Organisation in die Lage zu versetzen Probleme selbstgesteuert lösen zu können. Der Berater begleitet und unterstützt die Mitarbeiter in erster Linie in ihrem eigenen Lernen und Reflexionsprozess. Zu dieser Form der Beratung gehören die Organisationsentwicklung und die systemische Organisationsberatung. Es lassen sich weitere Konzepte, wie Teamentwicklung, Personalentwicklung, Coaching und Supervision zu diesem Bereich der Beratung zählen. Dieser wurde durch den Bundesverband deutscher Unternehmensberater als „Human-Ressource Managementberatung“ bezeichnet. Die Organisationsentwicklung oder auch „Change Management“, die sich im Zuge der „Human-Relations-Bewegung“ Mitte der 20er-Jahre entwickelte, bezieht die Mitarbeiter und andere Faktoren wie Gruppendynamik, Kommunikation, Konflikte, Motivation, Identifikation sowie Führung und ihre Beratung mit ein. Sie unterscheidet sich dabei von dem klassischen Konzept, da die Beratung von einer technischen Ebene auf eine soziale verlagert wird. Die Argumentation für diese Vorgehensweise ist, dass die Verbesserung der Arbeitsbedingungen die Effizienz der Mitarbeiter steigert. (vgl. Ameln u. a., 2009) Hierzu können die „Hawthorne Experimente“ von Elton Mayo, Fritz Roethlisberger und William Dickson (1927- 1932) angeführt werden. Die Wissenschaftler untersuchten den Einfluss von Beleuchtung auf die Effizienz der Mitarbeiter in einer Fabrik. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass nicht die unterschiedliche Beleuchtung eine Veränderung hervorbrachte, da sich sowohl die Leistung der untersuchten Gruppe als auch die der Kontrollgruppe, deren Arbeitsbedingungen nicht verändert wurden, steigerte. Sie vermuteten, dass die Leistungssteigerung nicht durch die Änderung der Verhältnisse hervorgebracht wurde, sondern die Mitarbeiter durch das Interesse und die Anwesenheit der Forscher sind wertschätzend behandelt gefühlten. Eine zweite Untersuchungsreihe, in der die Arbeitszeiten angepasst wurden und ein nicht-direktiver Führungsstil eingeführt wurde, unterstütze das Ergebnis, da sich auch hier die Leistung steigerte. (vgl. Nerdinger u. a., 2011, S. 48f) Bei dieser Sichtweise muss beachtet werden, dass sich die Interessen der Mitarbeiter nicht immer an dem Interesse der Organisation orientieren, z.B. bei Konflikten oder ausgeprägtem Machtstreben. Zudem geht dieser Ansatz von einer reinen intrinsischen Motivation der Mitarbeiter aus, was vernachlässigt, dass Menschen arbeiten gehen, um Geld zu verdienen und dazu neigen Aufwand und Nutzen zu optimieren. Außerdem ist ein nicht-direktiver Führungsstil, bei dem die Entfaltung der Potenziale des Einzelnen sicherlich groß ist, nicht immer sinnvoll und daher muss der Führungsstil an die jeweilige Situation angepasst sein. (vgl. Ameln u. a., 2009) Eine weitere Beratungsoption ist die psychoanalytische Organisationsberatung, die auf Sigmund Freuds Annahmen über Bewusstes und Unbewusstes beruht. Ihr wird jedoch heute nur noch wenig Beachtung geschenkt, obwohl ihre theoretischen Grundlagen, wie z.B: das Verständnis von Widerstand und Latenz, in der systemische Beratung integriert sind. (vgl. ebd.) Da die systemische Beratung die Grundlage für die Methodensammlung sein wird, wird trotz der für heute fehlenden Relevanz auf diesen Ansatz eingegangen. Die Aufgabe des Beraters in der psychodynamischen Beratung besteht darin die hinderlichen und unbewussten Prozesse in einer Organisation zu erschließen und diese den Organisationsmitgliedern aufzuzeigen, um diese Prozesse bewusst und damit wirkungslos zu machen. Nach Freud bringe jeder Mensch eigene Erfahrungen, Ängste und Erwartungen in die Organisation mit ein, die sein Handeln und damit auch die Dynamik des Systems bestimmen. Dabei wird nicht beachtet, dass Organisationen eine Eigendynamik entwickeln, die nicht mit den einzelnen Handlungen des Individuums zu tun haben. Außerdem wird nicht berücksichtigt, dass der Mensch nicht vollständig durch seine Erfahrungen determiniert ist und immer ein gewisses Veränderungspotenzial entwickeln kann. (vgl. ebd.) Ein Beratungskonzept, das ebenfalls zu der Prozessberatung gehört ist die systemische Organisationsberatung. Dieser Ansatz beachtet sowohl die psychodynamischen Gegebenheiten als auch die Grundannahmen der Organisationsentwicklung, ohne dabei die Wechselseitigkeit in sozialen Systemen zu vernachlässigen. Außerdem berücksichtigt diese Sichtweise zum Einen die individuellen Sichtweisen der Wirklichkeit des Einzelnen und zum Anderen den Gesamtzusammenhang in dem Unternehmen. (vgl. ebd.) Im folgenden Anschnitt wird daher näher auf dieses Beratungskonzept eingegangen.
„Unternehmenskultur lässt sich definieren als die Menge der Gewohnheiten, in denen sich ein Unternehmen von seiner Umgebung unterscheidet. Dahinter steht die Lerngeschichte des Unternehmens, das heißt die Erfahrungen, die es gesammelt hat, die Entscheidungen, die es daraufhin getroffen hat, und die Grundannahmen, die ihm daraus in Fleisch und Blut übergangen sind: Sie verdichten sich zu der <<Persönlichkeit>> oder dem >>Charakter<< eines Unternehmens.“ (Berner 2012, S. 15)
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Das systemische Coaching ist als eine Beratung für die Mitglieder einer Organisation zu verstehen, die darauf abzielt die Produktivität bzw. das Zusammenspiel der Organisationsmitglieder zu verbessern. Dabei muss sie gegenüber der psychotherapeutischen Beratung abgegrenzt werden. Auch wenn der theoretische Hintergrund und die Vorgehensweisen in einem großen Teil übereinstimmen ist eine Abgrenzung im theoretischen und methodischen Bereich wichtig, da ohne sie rechtliche Konsequenzen drohen könnten. Hinzu kommt, dass die Psychotherapie ein Krankheitsbild zur Grundlage haben muss und das Coaching von der reinen Eigeninitiative zur Verbesserung von Kompetenzen und Gegebenheiten ausgehen darf. Eine Trennschärfe zwischen den Bereichen ist nicht immer leicht zu erlangen, da auch psychisch erkrankte Menschen freiwillige Beratung suchen ohne das Bewusstsein für ihre Störung. Berater können eine Organisation als interner oder externer Coach beraten. (vgl. Migge 2007) In Kapitel … wird näher auf diesen Unterschied, die Rollen und Handlungsbasis des Beraters eingegangen. Neben dem Coaching bestehen viele weitere Arten der Beratung, die sich in ihren Inhalten und Vorgehensweisen aber überschneiden, wie zB. Mediation, Training, Fortbildung, Supervision, Philosophische Lebensberatung oder Mentoring (vgl. Migge 2007, S. 25).
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Die geschichtliche Entwicklung und der theoretische Hintergrund der systemischen Beratung werden nun im Weiteren beleuchtet. Die systemische Organisationsberatung geht aus der Systemtheorie nach Luhmann, sowie aus dem radikalen Konstruktivismus hervor (vgl. Luhmann 1984, von Foerster 1985, Maturana 1982). Nach Migge (2007) beruhe das Prinzip der systemischen Beratung außerdem auf verschiedenen Theorien von unterschiedlichen Wissenschaftsbereichen, wie der Kybernetik, mathematischen Spieltheorie, Chaostheorie und Kommunikationstheorie. Z.B. übertrug der Anthropologe Gregory Batesons in den 40er und 50er Jahren das technische systemische Verständnis von Weaver in einen kommunikativen Kontext und stellte dabei fest, dass „Die entscheidenden Faktoren innerhalb des Systems […] nicht einzelne Kommunikationsereignisse, sondern die im System handelnden Personen (seien)“ (Migge 2007, S. 344). Ein System sei von Zirkularität, abgeleitet aus der Kybernetik nach Wiener, geprägt. Bei Norbert Wiener (1947) wird die Kybernetik „[…] so verstanden, daß objektive Beschreibungen eines Beobachters, der von dem beobachteten Objekt getrennt ist, möglich sind und unabhängig von ihm gelten“ (Pisarsky 2000, S. 71f). Systeme sind also durch Wechselseitigkeit und Dynamik der Beziehungen, Regeln und damit einbezogenen Grenzen gekennzeichnet. Sie zielen darauf ab ihre innere Konsistenz zu erhalten. Dies geschieht durch Rückkopplungsmechanismen, die zur Erhaltung, der Homöostase, des Systems beitragen (vgl. Lutz 2010). Dies führt dazu, dass Probleme und negative Handlungsweisen entstehen oder aufrechterhalten werden. Papp (1983/1989) definiert ein System wie folgt:
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„Das Ganze ist größer als die Summe seiner Teile; jedes Teil ist nur im Kontext des Ganzen zu verstehen; eine Veränderung in irgendeinem Teil wirkt sich auf alle anderen Teile aus; das Ganze reguliert sich durch eine Folge von Rückkoppelungsschleifen, die kybernetischen Schaltkreise. Innerhalb dieser Rückkoppelungsschleifen wandern die Informationen hin und her und bewirken so die Stabilität bzw. Homöostase des Systems“ (Papp 1983/1989, S. 18).
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Damit ergeben sich für soziale Systeme Konsequenzen, wie, dass das Handeln der Personen keine reine Reaktion darstellt, sondern sie durch die subjektive Wirklichkeitskonstruktion geprägt sind. Außerdem bestehen in einem System explizite oder implizite Regeln, die einen Konsens über Wirklichkeit offenlegen. Durch die unterschiedlichen Wirklichkeitswahrnehmungen besteht zwischen den Beziehungen von Menschen Wechselseitigkeit. Diese Wechselseitigkeit in der Wahrnehmung von Realität wird in der Kommunikationstheorie Interpunktion genannt. Jede Handlung hat Einfluss auf den Handelnden selbst, seinem gegenüber und somit auf die weiteren Interaktionen zwischen den Personen. Paul Watzlawick (2000) entwickelte aus diesen Annahmen in seiner Theorie der „Menschlichen Kommunikation“ einige Prämissen für die Kommunikation zwischen Menschen. Erstens sei Kommunikation immer vorhanden. Zweitens beinhalte jede Äußerung immer einen inhaltlichen und einen Beziehungsaspekt. Drittens bedinge der Kommunikationsablauf die Art der Beziehung. Friedemann Schulz von Thun differenzierte diese Annahmen weiter und teilte die Kommunikation in wesentliche Aspekte. Demnach sei ein Sachinhalt, Beziehungs-definition, Selbstoffenbarungsanteil und ein Appellcharakter in einer Botschaft enthalten. Auch Heinz von Foerster (1993) erkannte, dass Begriffe keine Allgemeingültigkeit haben, sondern hinter ihnen jeweils eine individuelle und subjektive Bedeutung steht. Daher ist es wichtig nicht die Begriffe zu sehen, sondern die Wirklichkeitswahrnehmung, die dahinter liegt (vgl. ebd. ). Abschließend werden hier die Annahmen von Niklas Luhmann dargestellt, da sie den Charakter von sozialen Systemen nochmals deutlich machen und wichtige Informationen für den Berater zum Umgang mit Systemen geben. Er geht davon aus, dass soziale Systeme sich durch Kommunikation abgrenzen, ihre Elemente sich aus dem System selbst konstruieren und sie zur Reduzierung von Komplexität der Realität dienen. Zudem sei nicht eine Person, sondern eine sprachliche oder nicht-sprachliche Äußerung ist die kleinste kommunikative Einheit. Die Aspekte eines Systems müssen bei dem Beratungsprozess von Organisationen berücksichtigt werden. Aus ihnen folgt, dass die Veränderung aus dem Klienten selbst heraus geschehen muss und nicht von Berater initialisiert wird. (vgl. Migge 2007)
  
Zusammenfassend beeinflusst die Unternehmenskultur als unsichtbare Einflussgröße das kollektive Denken, Handeln und Fühlen der Menschen, die in einem Unternehmen beschäftigt sind bzw. dieses leiten. Die hierfür ursächlichen Überzeugungen, Werte und Grundannahmen wirken auf vielfältige Entscheidungsprozesse innerhalb des Unternehmens, geben Orientierungen und vermitteln implizite Spielregeln für das situative Verhalten der Organisationsteilnehmer. Die bestehenden Werte werden an neue Mitarbeiter und Führungskräfte herangetragen sowie als gewünschter Verhaltenskodex vermittelt. Es kann quasi von einer kollektiven Programmierung des Denkens gesprochen werden (vgl. Sackmann 2004, S. 27f.). Das bedeutet, dass die für ein Unternehmen charakteristischen Einstellungs- und Verhaltensmuster im Zeitverlauf vom Einzelnen erlernt werden (vgl. Homma & Bauschke 2010, S. 16). Demzufolge ist die Unternehmenskultur das Ergebnis von Erfahrungen und unbewussten Gewohnheiten innerhalb des Unternehmens. Je größer ein Unternehmen ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich verschiedene Gruppen ausbilden, die eine eigene Subkultur verfolgen. Die Existenz von Subkulturen kann zur sinnvollen Ergänzung verschiedener Abteilungen und Funktionen untereinander beitragen, aber auch ein gegeneinander arbeiten befördern. Des Weiteren ist am Beispiel von Holdings von Gesellschaften ein unabhängiges Arbeiten ebenfalls denkbar (vgl. Sackmann 2004, S. 26).
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Literatur
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Ameln, F.; Kramer, J.; Stark, H. (2009). Organisationsberatung beobachtet. Hidden Agendas und blinde Flecke, 1. Aufl., Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
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Luhmann (1984). Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
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Maturana, H. R. (1982): Erkennen. Die Organisation des Lebendigen: eine Theorie der lebendigen Organisation. Ausgewählte Arbeiten zur biologischen Epistemologie. Braunschweig/Wiesbaden: Obladen.
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Migge, B. (2007). Handbuch Coaching und Beratung. 2. Aufl.. Weinheim und Basel: Beltz.
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Nerdinger, F. W., Blickle, G., Schaper, N. (2011). Arbeits- Und Organisationspsychologie. Berlin/ Heidelberg: Springer Medizin.
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Papp, P. (1989). Die Veränderung des Familiensystems. Stuttgart: Klett-Cotta.
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Pisarsky, B. C. (2000). Die Mailänder Schule. Systemische Therapie von der paradoxen Intervention zum epigenetischen Ansatz, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
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Von Foerster, H. (1985). Sicht und Einsicht. Versuche zu einer operativen Erkenntnistheorie. Braunschweig/Wiesbaden: Obladen.
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Von Foerster, H. (1993). Wissen und Gewissen. Versuch einer Brücke. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
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Von Schlippe, A. & Schweitzer, J. (2002). Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung I: Das Grundlagenwissen, 8. Aufl., Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
  
'''3.1.2 Drei-Ebenen-Modell der Unternehmenskultur'''
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Lutz 2010 fehlt (siehe oben: rot markiert)
Der amerikanische Psychologie Edgar H. Schein, ein populäre Unternehmenskulturforscher, beschreibt in seinem Drei-Ebenen-Modell wie sich Unternehmenskultur äußert. Auf der obersten Ebene des dreigliedrigen Modells befinden sich die Artefakte („artifacts“), darunter liegen die erklärten Werte und Überzeugungen („Espoused beliefs and values“) und die unterste Ebene stellen die Grundannahmen dar („basic underlying assumptions“) (vgl. Berner 2012, S. 16).
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Die Artefakte sind Ausdrucksmerkmale einer Unternehmenskultur und deshalb leicht zu beobachten (vgl. ebd.). Sie äußern sich in Gesprächen und non-verbalen Verhalten beispielsweise in der persönlichen Anrede und dem Umgang der Kollegen untereinander, im Kleidungstil, in Arbeitsweisen, in Serviceleistungen, in Produkten oder auch im baulichen Erscheinungsbild des Unternehmens. Trotzdem genügen die Beobachtungen dieser einzelnen Aspekte nicht, um die Kultur eines Unternehmens zu verstehen. Die eigentlichen Bedeutung werden lediglich erkenntlich im Zusammenhang mit den grundlegenden Überzeugungen und Werten, die im Unternehmen praktiziert werden (vgl. Berner 2012, S. 16; Sackmann 2004, S. 24). Demnach ist nur ein kleiner Teil der Unternehmenskultur, wie bei einem Eisberg direkt beobachtbar. Den größten Teil der Kultur machen die Überzeugungen und Werte aus, die Prozesse, Prioritäten, Ursachenzuschreibungen, Optimierungsvorschläge, Lern- und Anpassungsmechanismen umfassen (vgl. Sackmann 2004, S. 24f.).
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Welche Überzeugungen und Werte ein Unternehmen verfolgt, wird häufig in offiziellen Dokumenten wie Leitbild, Vision, Strategiepapieren und Führungsgrundsätzen festgehalten. Darüber hinaus wirken informelle ungeschriebene Regeln und Werte, die das Ergebnis von Erfahrungen und Gewohnheiten des Systems sind. Nach Schein sollen die kollektiven Werte ein Gefühl von Sicherheit und Orientierung bieten, obwohl ihre tatsächliche Gültigkeit unsicher ist (vgl. Berner 2012, S. 16).
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Die Grundannahmen, die die unterste Ebene des Modells nach Schein bilden, sind am schwersten zu erschließen. Denn sie sind im Denken der Mitarbeiter und Führungskräfte eines Unternehmens tief verankert und ihnen deshalb selbst nur bedingt bewusst. Haben sich diese Grundannahmen bzw. unreflektierte Selbstverständlichkeiten erstmals verfestigt, gelten sie unausgesprochen und benötigen keiner weiteren Erklärung oder Begründung. Folglich werden sie einfach gelebt, ohne dass sie einer Legimitation bedürfen. Aufgrund dessen, dass die Grundannahmen stark verfestigt sind im Welt- und Menschenbild des Unternehmens, sind sie laut Schein schwer veränderbar (vgl. ebd.).
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Als zentrale Kritik an diesem Modell wird geäußert, dass Schein die Unternehmenskultur als schwer greifbar fast schon rätselhaft beschreibt. Aber wir Menschen, die ebenfalls Mitglied ähnlicher Kulturen sind, können Denken, Verhalten und Fühlen von Kulturanhängern nachvollziehen und somit den tiefer liegenden Sinn und ggf. die Grundannahmen erschließen (vgl. Berner 2012, S. 16f.).
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'''3.1.3 Funktionen von Unternehmenskultur'''
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Die Unternehmenskultur kann zum Erfolg im Sinne von Produktivität und Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens beitragen, indem sie nach Sackmann (2004, S. 27f.) folgende Funktionen erfüllt: Komplexitätsreduktion, koordiniertes Handeln, Identifikation mit dem Unternehmen und Kontinuität.
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Mithilfe einer kooperativen-leistungsorientierten Unternehmenskultur kann eine schnelle und effiziente Arbeitsroutine entwickelt werden, die zur Reduktion von Komplexitäten beiträgt. Das kollektive Denken wirkt sich auf die Informationsaufnahme und -verarbeitung der Unternehmensteilnehmer aus, was wiederum zu konkreten und zeitnahen Handlungen führt (vgl. ebd., S. 28).
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Das koordinierte Handeln entspringt den grundlegenden Überzeugungen und Werten, die das Unternehmen nach innen und nach außen trägt. Durch ein kollektives Sinnsystem, dass sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeiter verfolgen, werden Richtlinien für Kommunikations- und Verhaltensstrukturen vermittelt, wie sich Handlungen, Spielräume sowie Abläufe gestalten sollen (vgl. Icks 2012, S. 126; Sackmann 2004, S. 28). Homma und Bauschke (2010, S. 16) ergänzen, dass die gemeinsamen Werte und Ziele die innerbetriebliche Kooperation effizienter gestalten, da Prozesse durch die bestehende Unternehmenskultur stabilisiert werden. Zudem fördern die Normen beim Einzelnen regelkonformes Verhalten, dass die Kontrolle dessen erhöht (vgl. ebd.). Insbesondere sind solche kollektiven Sinnsysteme von Vorteil, wenn Menschen unterschiedlicher Kulturen, Arbeitsbereiche oder Abteilungen aufeinandertreffen (vgl. Sackmann 2004, S. 29).
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Weiterhin hat die Unternehmenskultur Einfluss darauf, inwieweit sich Mitarbeiter mit ihrem Unternehmen identifizieren. Je nach Ausgestaltung und Realisierung der grundlegenden Überzeugungen kann eine Unternehmenskultur für den Einzelnen mehr oder weniger sinn- und bedeutungsstiftend sein (vgl. ebd.). Eine sinn- und identitätsstiftende Unternehmenskultur sollte nach Homma und Bauschke (2010, S. 15) angestrebt werden, da sie die Mitgliedschaft des Einzelnen zu der Gruppe fördert. Insbesondere Sinnvermittlung gelingt durch die Formulierung ansprechender Ziele oder indem sich das Unternehmen engagiert für gesellschaftlich bedeutende Bereiche, die für den Einzelnen ansprechend sind (vgl. ebd.). Darüber hinaus stärkt nach Icks (2012, S. 126) eine identitätsstiftende Unternehmenskultur das Zusammengehörigkeitsgefühl sowie die Motivation der Beschäftigten und kann durch die Abgrenzung zu anderen Unternehmen ebenfalls als Profilierung dienen.
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Weiterhin verfügt jedes Unternehmen über eine gewisse Kontinuität, die sich aus einer kollektiven Lerngeschichte entwickelt. Sie ist das Produkt einer jahrelangen Ausdifferenzierung von individuellen Denk- und Handlungsmuster. Gemäß lerntheoretischen Ansätzen wird ein Unternehmen nach erfolgreicher Bewältigung von Problemen die bewährte Lösungsstrategie erneut einsetzen. Das kollektive Gedächtnis lässt sich im routinierten Handeln des Unternehmens ablesen, dass ihm Sicherheit und Kontinuität vermittelt. Das Zeigen und Vermeiden von bestimmten Handlungen bestimmt ebenfalls inwieweit das Unternehmen bereit ist zu lernen und bzw. sich anzupassen (vgl. Sackmann 2004, S. 29f.).
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'''3.1.4 Unternehmenskultur als Wettbewerbsvorteil'''
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Seit den frühen 80er Jahren wird die Unternehmenskultur in der Literatur des praktischen Managements zur Diskussion gestellt. Demzufolge wurden viele Studien zur Thematik veröffentlicht, wie u.a. im Jahr 1992 die Studie Corporate Culture and Performance von Kotter und Heskett. Die Autoren untersuchten erstmalig den quantitativen Zusammenhang zwischen Unternehmenskultur und ökonomischer Performanz. Die Autoren kamen zum Ergebnis das Firmen mit einer von ihnen ermittelten kulturellen Stärke (Ertragssteigerung von 682%) höhere Erträge erzielten im Untersuchungszeitraum als Firmen mit schwachen Kulturen (Ertragssteigerung von 166%) (vgl. Homma & Bauschke 2010, S. 20). Des Weitern konnten Collins und Porras in ihrer Untersuchung Built to last (1994) nachweisen, dass die Leistung von Unternehmen stärker ist, wenn die Mitarbeiter ihr Verhalten an gemeinsamen Grundwerten ausrichten. Durch die gemeinsame Werteorientierung können im Alltagshandeln Ressourcen und Wissen effizienter eingesetzt werden, was dem Unternehmenserfolg zugutekommt. Ferner trägt das gemeinsame Wertesystem zur Motivationssteigerung als auch zur besseren Identifizierung der Mitarbeiter mit dem Unternehmen bei. Denison (2006) betont in seiner Studie, dass sich langfristig eine ausgeprägte Unternehmenskultur positiv auf den zukünftigen Wettbewerbsvorteil eines Unternehmens auswirken kann (vgl. Homma & Bauschke 2010, S. 20f.). Zudem konnte in mehreren Studien der Zusammenhang zwischen einer starken Unternehmenskultur sowie einer gesteigerten Produktivität und Effizienz herausgestellt werden. Ebenso das Bundesministerium für Arbeit und Soziales verweist darauf, dass eine mitarbeiterorientierte Unternehmenskultur ein signifikanter Einflussfaktor für den Unternehmenserfolg ist (vgl. Icks 2012, S. 127).
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Demzufolge kann die Unternehmenskultur zum Wettbewerbsvorteil werden, wenn Unternehmen konkurrieren, die mit ähnlichen Produkten und Dienstleistungen auf dem Markt vertreten sind. Denn sie kann ein entscheidender Investitionsgrund für potenziellen Kunden sein (vgl. Berner 2012, S. 5). Denn nach Icks (2012, S. 127) bevorzugen Kunden diejenigen Anbieter, die sich durch Professionalität, Freundlichkeit und kooperative Fähigkeiten auszeichnen. Ebenfalls suchen sich talentierte Beschäftigte bevorzugt einen Arbeitsplatz, der von einer konstruktiven und leistungsorientierten Unternehmenskultur geprägt ist bzw. werden sich in Zukunft einen solchen Arbeitergeber suchen. Eine kooperative-leistungsorientierte Kultur wirkt sich positive auf Kunden- und Lieferantenbindungen, geringe Personalfluktuationen und dementsprechend geringen Anwerbungs- und Einarbeitungskosten aus. Auf der Beschäftigungsseite macht sich dies bemerkbar in höherer Leistungsbereitschaft, geringeren Fehlquoten und -zeiten (vgl. ebd.). Innerhalb des Unternehmens trägt sie zum Erfolg bei, indem sie eine reibungslose und effiziente Zusammenarbeit begünstigt. Jedoch kann die Unternehmenskultur nicht gute Produkte oder Leistungen ersetzen (vgl. Berner 2012, S. 3f.). Ferner haben Unternehmen mit einer produktiv zusammenarbeitenden Kultur geringe interne Reibungsverluste und einen höheren Wirkungsgrad, der Kosten verringert. Wenn Strukturen, Prozesse und Systeme (z.B. innerbetriebliche IT) innerhalb eines Unternehmens bereits weitgehend optimiert sind, kann lediglich die Kultur zu einer weiteren Produktivitätssteigerung beitragen (vgl. ebd., S. 5f.). Eine erfolgreiche Kultur kann als ein Wettbewerbsvorteil verstanden werden, da er von anderen Konkurrenten nur schwer zu kopieren ist (vgl. Berner 2012, S. 13).
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Im Umkehrschluss kann eine praktizierte Unternehmenskultur auch zum Problem werden. Vielfach wurde empirisch nachgewiesen, dass viele Unternehmen oft ihre angestrebten Integrations- und Leistungsziele nicht zu ihrer Zufriedenheit erreichen konnten. Die Gründe hierfür wurden oftmals in der Unternehmenskultur verortet (vgl. Homma & Bauschke 2010, S. 21). Insbesondere bei unternehmerischen Veränderungen werden die Beschäftigten und andere Betroffene mit ihren Bedürfnissen und Kompetenzen oftmals vernachlässigt (vgl. ebd., S. 27). Ein bekanntes Bespiel ist der Fall Daimler Chrysler. Die Fusion im Jahr 1998 des europäischen Unternehmen Daimler-Benz und dem US-amerikanisch geprägten Chrysler Konzern scheiterte schließlich im Jahr 2007. Als Hauptgrund für das Scheitern wurden die kulturellen Differenzen hinsichtlich des Führungsverhalten und der Entscheidungsfindung beider Unternehmen identifiziert. An diesem Beispiel wird deutlich, dass der Faktor der Unternehmenskultur bei meist klassischen Herausforderungen (z.B. Strategieänderungen, Führungswechsel) nicht immer im Veränderungsmanagement berücksichtigt wird, obwohl kulturelle Merkmale eine entscheidende Rolle bei Geschäfts- und Organisationsthemen spielen (vgl. ebd., S. 22f.).
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Die Gründe, warum der Aspekt der Unternehmenskultur meist als zweitrangig gilt, sind vielfältig. Zum einem fehlt das Bewusstsein, das die Veränderung der Unternehmenskultur zur Leistungssteigerung beiträgt. Zum anderem gilt die Unternehmenskultur als weicher Faktor und ist deshalb laut allgemeiner Meinung wenig analytisch greifbar (vgl. ebd., S. 31). Denn die Wirkung der Unternehmenskultur als weicher Faktor lässt sich nur schwer beziffern. Die Kosten entstehen beispielweise durch Personalentwicklungsmaßnahmen, Mitarbeiterbeteiligungskonzepten oder auch transparenzfördernde Maßnahmen, aber die hieraus gewonnenen Erträge lassen sich nur mühsam ermitteln (vgl. Icks 2012, S. 126). Deshalb fallen Maßnahmen, die zur Optimierung der Unternehmenskultur beitragen, meistens als Erstes finanziellen Einsparungen zum Opfer. Langfristig verursacht das Ausblenden dieser Thematik weitere Probleme und Kosten (vgl. Homma & Bauschke 2010, S. 30f.).
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Eine weitere Herausforderung ist, dass die Unternehmenskultur flexible auf Veränderungen reagieren muss, die verursacht werden durch Makrotrends der Beschleunigung (z.B. Telekommunikation) und der Komplexität des sozialen und wirtschaftlichen Handelns (z.B. Globalisierung). Diese Trends wirken stark auf individuelle und unternehmerische Kontexte ein. Besonders das Management muss bei Anpassung an diese Trends die Unternehmenskultur mitberücksichtigen. Die jeweiligen Aspekte, die revisionsbedürftig sind oder die zukünftig für das Unternehmen bedeutsam sind, müssen möglichst schnell identifiziert werden, damit weiterhin vom Erfolgsfaktor Unternehmenskultur gesprochen werden kann. Gelingt die flexible Anpassung der Unternehmenskultur an das Umfeld und seine Veränderungen, kann das wiederum ein Wettbewerbsvorteil sein (vgl. Homma & Bauscke 2010, S. 27ff.).
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'''3.1.5 Veränderung von Unternehmenskultur'''
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Die bestehende Kultur eines Unternehmens, die durch lange informelle Lernprozesse entstand, zu verändern, erfordert organisatorisches Umlernen. Hierfür muss sich das Unternehmen bei angestrebten Veränderungen über folgende Aspekte einig sein (vgl. Icks 2012, S. 128).
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Abb.: Entwicklung einer Unternehmenskultur (Icks 2012, S. 128)
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Zunächst benötigt das Unternehmen eine konkrete Zukunftsvorstellung, die Orientierung bietet bei der Erreichung der gesetzten Ziele. Außerdem stellt sich die Frage, welche Strategie verfolgt werden soll um die Zukunftsvorstellungen zu erreichen? Als Ausgangspunkt sollte ein Konzept mit den angestrebten Veränderungen vorliegen. Nach der Ursachenanalyse folgt die Umsetzung von Maßnahmen. Das Leitbild eines Unternehmens dient für anstehende kulturelle Veränderungen als Handlungshilfe zur Verfügung. Die Verschriftlichung von Arbeitsvorgängen, Verhaltensregeln und Zielen machen die Werte und Überzeugungen des Unternehmens transparent. Das Leitbild erfüllt Funktionen der Orientierung, Motivation, Identifikation und Legitimation. Seine erfolgreiche Eingliederung in die betrieblichen Alltagsstrukturen des Unternehmens beeinflusst positiv, dass die angestrebten Verhaltensänderungen von Führungs- und Beschäftigtenseite realisiert werden. Das Leitbild kann als Außendarstellung genutzt werden, um die selbst auferlegte ökonomische, soziale und ökologische Verantwortung des Unternehmens zu repräsentieren. Gleichzeitig kann das Signalisieren von Bereitschaft gesellschaftliche Verantwortung leisten zu wollen, das Image eines Unternehmens erhöhen. Angestrebt werden sollte ein klares, nachvollziehbares und transparentes Leitbild für Kunden sowie Beschäftigte (vgl. Icks 2012, S.128f).
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Darüber hinaus sind ebenfalls die Führungskräfte bei der Umsetzung einer neuen Kultur von Bedeutung. Denn durch die Nutzung von Mechanismen der Wahrnehmung, Anreize und Belohnung fungieren sie als Repräsentanten der neuen Kultur. Von Seiten der Führungskräfte sollten Veränderung der Unternehmenskultur offen kommuniziert und durch ihr Verhalten vorlebt werden. Hierfür sollten Ziele, Verantwortlichkeiten und ein angemessener Umsetzungszeitraum benannt werden. Weiterhin sollten Führungskräfte den Austausch mit dem Beschäftigten pflegen, gemeinsame Gestaltungsmöglichkeiten entwickeln und Leistungen wertschätzen. Die Realisierung neuer Leitlinien kann befördert werden durch Zielvereinbarungsgesprächen auf allen Hierarchieebenen sowohl durch regelmäßige Kontrollen. Ebenso sind Konsequenzen denkbar für Beschäftigte und Führungskräfte, die die im Leitbild festgehaltenen Grundsätze nicht einhalten (vgl. ebd., S. 128ff.).
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Im Veränderungsprozess einer Unternehmenskultur sind bestimmte Handlungsgrundsätze zu beachten, um einen Erfolg zu gewährleisten. Die Veränderung von Prozessen und Strukturen im Unternehmen sollten geplant sein. Erwartungen und Entscheidungsbefugnisse sollten geklärt sein und Regelungen für beispielsweise Sicherheit, Qualität und Effizienz eingehalten werden. Hierbei können diese kulturellen Veränderungen allmählich an die bestehenden Gegebenheiten angepasst werden. Wichtig ist, dass in allen Umgestaltungsetappen die Beschäftigten miteinbezogen werden. Oftmals kennen sie die Praxis des Unternehmens besser als die Managementebene. Zudem ist die Einbeziehung der Beschäftigten bei kulturellen Umgestaltungsprozessen für den Vertrauens- und Akzeptanzaufbau der neuen Strukturen förderlich (vgl. ebd., S. 130f).
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Generell ist der Erfolg eines solchen Veränderungsprozess stark von der Motivation der Organisationsteilnehmer abhängig. Denn Widerstände und Probleme gegenüber einem Kulturwandel sind zu erwarten. Die Förderung der Motivation der Betroffenen kann durch das Offenlegen des zu erwartenden Nutzens erfolgen. Grundsätzlich kann nicht erlernt werden, wie am besten eine neue Unternehmenskultur umgesetzt werden kann. Entscheidend ist jedoch, dass ein Verständnis über die bisherige praktizierte Kultur vorliegt. Durch das gezeigte Verhalten der Organisationsteilnehmer können mittels Beobachtung Rückschlüsse auf die Werte und Normen des Unternehmens gezogen werden (vgl. Icks 2012, S. 130f.). Folgende Aspekte sind nach Icks (2012, S. 125) als Orientierung hilfreich, wenn ein Unternehmen und sein Führungspersonal sich seiner eigenen Kultur annähern möchte: Worin ist die Motivation der Beschäftigen begründet? Welche gemeinsamen Werte existieren im Unternehmen sowie in den einzelnen Abteilungen und Geschäftsbereichen? Wie hat die Geschichte des Unternehmens die Mitarbeiter geprägt? Wie gestaltet sich die Außendarstellung des Unternehmens (z.B. Leitbild)? Wie wird von Mitarbeiterseite der Führungsstil des Unternehmens empfunden? Welche Konflikte behindern eine erfolgreiche Zusammenarbeit? (vgl. ebd., S. 131). Trotz alledem einen verbindlichen Kulturkriterienkatalog kann es laut Homma und Bauschke (2010, S. 31) nicht geben. Denn obwohl die Unternehmen meist ähnliche Prinzipien definieren, variiert die Umsetzung dieser Leitlinien meist stark voneinander (vgl. ebd.).
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'''Zusammenfassung'''
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Die Kultur eines Unternehmens drückt sich in gemeinsamen Werten, Normen und Einstellungen aus, die sowohl auf die Außendarstellung als auch auf innerbetriebliche Prozesse wirken. Jedes Unternehmen hat seinen eigenen Charakter, der sich mit der Unternehmensgeschichte ausgebildet und zu gewissen Gewohnheiten beiträgt. Insbesondere Überzeugungen und Grundannahmen, die sich im Denken und Handeln von Mitarbeitern und Führungskräften etabliert haben, bestimmen maßgeblich u.a. die Kommunikation, das Verhalten der Kollegen untereinander und die Entscheidungsprozesse im alltäglichen Geschäft. Diese ungeschriebene Gesetzmäßigkeiten lassen sich nur schwer greifen, da dessen Mitglieder sie selbst nur bedingt benennen können. Trotz ihrer meist unbewussten Wirkung kann eine Kultur zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil für ein Unternehmen werden. Besonders eine kooperative-leistungsorientierte Unternehmenskultur trägt zur Produktivität und Wirtschaftlichkeit bei, indem sie eine bessere organisationale Zusammenarbeit fördert und somit effektiver auf Umweltveränderungen reagieren kann. Darüber hinaus hat eine solche Unternehmenskultur positive Effekte auf die Leistungsmotivation der Organisationsteilnehmer, wenn diese sich mit den dort praktizierten Werten und Normen identifizieren können. Des Weiteren wird ein Unternehmen mit einer erfolgreichen Kultur ebenfalls von Kunden und Lieferanten bevorzugt. Möchte ein Unternehmen seine Kultur verändern, sollten für den weiteren Lernprozess die Zukunftsvorstellungen sowie die Unternehmensstrategien geklärt sein und ein transparentes klares Leitbild vorliegen. Die Führungsebene fungiert dabei als Vorbildrolle und sollte neue Handlungsgrundsätze im Austausch mit den Mitarbeitern entwickeln, um eine erfolgreiche Etablierung der neuen Kultur sicherzustellen.
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Mit Blick auf das Planspiel sollte bedacht werden, dass die Unternehmenskultur als weicher Erfolgsfaktor oftmals bei unternehmerischen Veränderungen nicht ausreichend berücksichtigt wird. Vielfach werden die Organisationsteilnehmer mit ihren Bedürfnissen und Kompetenzen nicht in den Veränderungsprozess miteinbezogen. Das Ausblenden dieser Thematik kann langfristig Probleme nach sich ziehen, wie sie in Kapitel 6.4 Personalbeschreibung und 6.5 Problemstrukturen beschrieben werden.
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'''Literatur'''
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Homma, N. & Bauschke, R. (2010). Unternehmenskultur und Führung. Den Wandel gestalten - Methoden, Prozesse, Tools. Wiesbaden: Gabler.
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Berner, W. (2012). Culture Change. Unternehmenskultur als Wettbewerbsvorteil. Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag.
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Icks, A. (2012). Unternehmenskultur. In: Offensive Mittelstand (Hrsg.), Unternehmensführung für den Mittelstand (S. 123-136). Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag.
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Sackmann, S. A. (2004). Erfolgsfaktor Unternehmenskultur. Mit kulturbewusstem Management Unternehmensziele erreichen und Identifikation schaffen - 6 Best Practice-Beispiele. Wiesbaden: Gabler.
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Aktuelle Version vom 10. Januar 2014, 16:59 Uhr

Einleitung und theoretischer Hintergrund

Zunächst wird hier ein Überblick über die Möglichkeiten zur Organisationsberatung aufgezeigt, um die klassische Organisationsberatung und andere Ansätze von dem systemischen Coaching abgrenzen zu können. Anschließend werden die Rahmenbedingungen und Grundlagen der systemischen Beratung in Organisationen definiert, um die späteren Handlungsweisen und Methoden sinnvoll einsetzen zu können. Hierzu wird das systemische Coaching durch die Darstellung der theoretischen Grundlagen definiert und ihr Handlungsspielraum in Abgrenzung zur Psychotherapie festgelegt. Anschließend wird das Profil eines Beraters dargelegt und die Phasen des Beratungsprozesses mit jeweiligen Handlungsanweisungen aufgezeigt, um abschließend eine Sammlung von Methoden zur systemischen Organisationsberatung im Bereich der Führung, Teambildung und Kommunikation zu erhalten. Die klassische Unternehmensberatung entwickelte sich zeitgleich mit der psychologischen Systemberatung seit den 60er-Jahren. Dabei standen technische und wirtschaftliche Aspekte im Vordergrund. (vgl. Migge, 2007) Verschiedene Aspekte, wie der schnelle technische Fortschritt, stark umkämpfte Märkte und die Folgen der Globalisierung machten es nötig, dass Organisationen ihre Strukturen und Prozesse drastisch veränderten. Daher wurde die Organisationsberatung zur Verbesserung von Produktivität und Effizienz immer wichtiger. Hinzu kamen gesetzliche Veränderungen und gezielte Kunden- und Zukunftsorientierung, die sich auf Innovation und Umweltbewusstsein stützten. (vgl. Ameln u. a., 2009) Erst in den 80er-Jahren kam die Tendenz auf auch in nicht Profit orientierten Organisationen tätig zu werden, bspw. in Bildungsstätten, Schulen und sozialen Einrichtungen. Dies führte zu einer inhaltlichen Umstrukturierung in den psychologischen und soziologischen Bereichen. (vgl. Migge, 2007) Die daraus entstandenen Beratungsformen sind vielfältig und beziehen sich auf die verschiedenste Aspekte und Zielsetzungen. Unterscheiden lassen sich zunächst die Strategieberatung und die Prozessberatung. Die Strategieberatung bezieht sich auf die Bewertung der betriebswirtschaftlichen Belange eines Unternehmens. Der Berater hat dabei die Aufgabe dem Unternehmen bei der Verbesserung von z.B. Organisationsstrategien, Umgestaltung der Organisationsstruktur und Erschließung neuer Märkte zu helfen, indem er die Strukturen und Prozesse sowie Marktlage und Konkurrenzsituation zunächst analysiert und anschließend Vorschläge zu Verbesserung anstellt. Das Management ist dabei der Hauptansprechpartner des Beraters. Die Strategieberatung geht davon aus, dass Organisationen wie Maschinen funktionieren. Demnach sei eine Organisation durch feste, klar definierte Abläufe gekennzeichnet, die es zu optimieren gilt, um maximale Effizienz zu erreichen. Unterbrechungen oder Störungen in den Abläufen entstehen bei dieser Ansicht und damit auch bei der Strukturberatung, da nicht berücksichtigt wird, dass die Mitarbeiter eines Unternehmens individuelle Ziele und Wünsche haben, Entscheidungen nicht immer rational gefällt werden und die Abläufe in einer Organisation nicht linear, sondern zirkulär sind und somit nicht vollständig berechnet werden können. (vgl. Ameln u. a., 2009) Diese Art der Organisationsberatung beachtet also nicht, dass Unternehmen Systeme sind in denen Menschen agieren. Unternehmen müssen somit als nicht-triviale Maschinen, die nicht durch reine Kausalität und von außen gesteuert oder bewertet werden können, sondern sich wandeln und eigendynamisch sind, bezeichnet werden (vgl. Von Schlippe & Schweitzer 2002, S. 55ff). Eine andere Form der Beratung ist die Prozessberatung. Sie hat das Ziel die Organisation in die Lage zu versetzen Probleme selbstgesteuert lösen zu können. Der Berater begleitet und unterstützt die Mitarbeiter in erster Linie in ihrem eigenen Lernen und Reflexionsprozess. Zu dieser Form der Beratung gehören die Organisationsentwicklung und die systemische Organisationsberatung. Es lassen sich weitere Konzepte, wie Teamentwicklung, Personalentwicklung, Coaching und Supervision zu diesem Bereich der Beratung zählen. Dieser wurde durch den Bundesverband deutscher Unternehmensberater als „Human-Ressource Managementberatung“ bezeichnet. Die Organisationsentwicklung oder auch „Change Management“, die sich im Zuge der „Human-Relations-Bewegung“ Mitte der 20er-Jahre entwickelte, bezieht die Mitarbeiter und andere Faktoren wie Gruppendynamik, Kommunikation, Konflikte, Motivation, Identifikation sowie Führung und ihre Beratung mit ein. Sie unterscheidet sich dabei von dem klassischen Konzept, da die Beratung von einer technischen Ebene auf eine soziale verlagert wird. Die Argumentation für diese Vorgehensweise ist, dass die Verbesserung der Arbeitsbedingungen die Effizienz der Mitarbeiter steigert. (vgl. Ameln u. a., 2009) Hierzu können die „Hawthorne Experimente“ von Elton Mayo, Fritz Roethlisberger und William Dickson (1927- 1932) angeführt werden. Die Wissenschaftler untersuchten den Einfluss von Beleuchtung auf die Effizienz der Mitarbeiter in einer Fabrik. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass nicht die unterschiedliche Beleuchtung eine Veränderung hervorbrachte, da sich sowohl die Leistung der untersuchten Gruppe als auch die der Kontrollgruppe, deren Arbeitsbedingungen nicht verändert wurden, steigerte. Sie vermuteten, dass die Leistungssteigerung nicht durch die Änderung der Verhältnisse hervorgebracht wurde, sondern die Mitarbeiter durch das Interesse und die Anwesenheit der Forscher sind wertschätzend behandelt gefühlten. Eine zweite Untersuchungsreihe, in der die Arbeitszeiten angepasst wurden und ein nicht-direktiver Führungsstil eingeführt wurde, unterstütze das Ergebnis, da sich auch hier die Leistung steigerte. (vgl. Nerdinger u. a., 2011, S. 48f) Bei dieser Sichtweise muss beachtet werden, dass sich die Interessen der Mitarbeiter nicht immer an dem Interesse der Organisation orientieren, z.B. bei Konflikten oder ausgeprägtem Machtstreben. Zudem geht dieser Ansatz von einer reinen intrinsischen Motivation der Mitarbeiter aus, was vernachlässigt, dass Menschen arbeiten gehen, um Geld zu verdienen und dazu neigen Aufwand und Nutzen zu optimieren. Außerdem ist ein nicht-direktiver Führungsstil, bei dem die Entfaltung der Potenziale des Einzelnen sicherlich groß ist, nicht immer sinnvoll und daher muss der Führungsstil an die jeweilige Situation angepasst sein. (vgl. Ameln u. a., 2009) Eine weitere Beratungsoption ist die psychoanalytische Organisationsberatung, die auf Sigmund Freuds Annahmen über Bewusstes und Unbewusstes beruht. Ihr wird jedoch heute nur noch wenig Beachtung geschenkt, obwohl ihre theoretischen Grundlagen, wie z.B: das Verständnis von Widerstand und Latenz, in der systemische Beratung integriert sind. (vgl. ebd.) Da die systemische Beratung die Grundlage für die Methodensammlung sein wird, wird trotz der für heute fehlenden Relevanz auf diesen Ansatz eingegangen. Die Aufgabe des Beraters in der psychodynamischen Beratung besteht darin die hinderlichen und unbewussten Prozesse in einer Organisation zu erschließen und diese den Organisationsmitgliedern aufzuzeigen, um diese Prozesse bewusst und damit wirkungslos zu machen. Nach Freud bringe jeder Mensch eigene Erfahrungen, Ängste und Erwartungen in die Organisation mit ein, die sein Handeln und damit auch die Dynamik des Systems bestimmen. Dabei wird nicht beachtet, dass Organisationen eine Eigendynamik entwickeln, die nicht mit den einzelnen Handlungen des Individuums zu tun haben. Außerdem wird nicht berücksichtigt, dass der Mensch nicht vollständig durch seine Erfahrungen determiniert ist und immer ein gewisses Veränderungspotenzial entwickeln kann. (vgl. ebd.) Ein Beratungskonzept, das ebenfalls zu der Prozessberatung gehört ist die systemische Organisationsberatung. Dieser Ansatz beachtet sowohl die psychodynamischen Gegebenheiten als auch die Grundannahmen der Organisationsentwicklung, ohne dabei die Wechselseitigkeit in sozialen Systemen zu vernachlässigen. Außerdem berücksichtigt diese Sichtweise zum Einen die individuellen Sichtweisen der Wirklichkeit des Einzelnen und zum Anderen den Gesamtzusammenhang in dem Unternehmen. (vgl. ebd.) Im folgenden Anschnitt wird daher näher auf dieses Beratungskonzept eingegangen. Das systemische Coaching ist als eine Beratung für die Mitglieder einer Organisation zu verstehen, die darauf abzielt die Produktivität bzw. das Zusammenspiel der Organisationsmitglieder zu verbessern. Dabei muss sie gegenüber der psychotherapeutischen Beratung abgegrenzt werden. Auch wenn der theoretische Hintergrund und die Vorgehensweisen in einem großen Teil übereinstimmen ist eine Abgrenzung im theoretischen und methodischen Bereich wichtig, da ohne sie rechtliche Konsequenzen drohen könnten. Hinzu kommt, dass die Psychotherapie ein Krankheitsbild zur Grundlage haben muss und das Coaching von der reinen Eigeninitiative zur Verbesserung von Kompetenzen und Gegebenheiten ausgehen darf. Eine Trennschärfe zwischen den Bereichen ist nicht immer leicht zu erlangen, da auch psychisch erkrankte Menschen freiwillige Beratung suchen ohne das Bewusstsein für ihre Störung. Berater können eine Organisation als interner oder externer Coach beraten. (vgl. Migge 2007) In Kapitel … wird näher auf diesen Unterschied, die Rollen und Handlungsbasis des Beraters eingegangen. Neben dem Coaching bestehen viele weitere Arten der Beratung, die sich in ihren Inhalten und Vorgehensweisen aber überschneiden, wie zB. Mediation, Training, Fortbildung, Supervision, Philosophische Lebensberatung oder Mentoring (vgl. Migge 2007, S. 25). Die geschichtliche Entwicklung und der theoretische Hintergrund der systemischen Beratung werden nun im Weiteren beleuchtet. Die systemische Organisationsberatung geht aus der Systemtheorie nach Luhmann, sowie aus dem radikalen Konstruktivismus hervor (vgl. Luhmann 1984, von Foerster 1985, Maturana 1982). Nach Migge (2007) beruhe das Prinzip der systemischen Beratung außerdem auf verschiedenen Theorien von unterschiedlichen Wissenschaftsbereichen, wie der Kybernetik, mathematischen Spieltheorie, Chaostheorie und Kommunikationstheorie. Z.B. übertrug der Anthropologe Gregory Batesons in den 40er und 50er Jahren das technische systemische Verständnis von Weaver in einen kommunikativen Kontext und stellte dabei fest, dass „Die entscheidenden Faktoren innerhalb des Systems […] nicht einzelne Kommunikationsereignisse, sondern die im System handelnden Personen (seien)“ (Migge 2007, S. 344). Ein System sei von Zirkularität, abgeleitet aus der Kybernetik nach Wiener, geprägt. Bei Norbert Wiener (1947) wird die Kybernetik „[…] so verstanden, daß objektive Beschreibungen eines Beobachters, der von dem beobachteten Objekt getrennt ist, möglich sind und unabhängig von ihm gelten“ (Pisarsky 2000, S. 71f). Systeme sind also durch Wechselseitigkeit und Dynamik der Beziehungen, Regeln und damit einbezogenen Grenzen gekennzeichnet. Sie zielen darauf ab ihre innere Konsistenz zu erhalten. Dies geschieht durch Rückkopplungsmechanismen, die zur Erhaltung, der Homöostase, des Systems beitragen (vgl. Lutz 2010). Dies führt dazu, dass Probleme und negative Handlungsweisen entstehen oder aufrechterhalten werden. Papp (1983/1989) definiert ein System wie folgt: „Das Ganze ist größer als die Summe seiner Teile; jedes Teil ist nur im Kontext des Ganzen zu verstehen; eine Veränderung in irgendeinem Teil wirkt sich auf alle anderen Teile aus; das Ganze reguliert sich durch eine Folge von Rückkoppelungsschleifen, die kybernetischen Schaltkreise. Innerhalb dieser Rückkoppelungsschleifen wandern die Informationen hin und her und bewirken so die Stabilität bzw. Homöostase des Systems“ (Papp 1983/1989, S. 18). Damit ergeben sich für soziale Systeme Konsequenzen, wie, dass das Handeln der Personen keine reine Reaktion darstellt, sondern sie durch die subjektive Wirklichkeitskonstruktion geprägt sind. Außerdem bestehen in einem System explizite oder implizite Regeln, die einen Konsens über Wirklichkeit offenlegen. Durch die unterschiedlichen Wirklichkeitswahrnehmungen besteht zwischen den Beziehungen von Menschen Wechselseitigkeit. Diese Wechselseitigkeit in der Wahrnehmung von Realität wird in der Kommunikationstheorie Interpunktion genannt. Jede Handlung hat Einfluss auf den Handelnden selbst, seinem gegenüber und somit auf die weiteren Interaktionen zwischen den Personen. Paul Watzlawick (2000) entwickelte aus diesen Annahmen in seiner Theorie der „Menschlichen Kommunikation“ einige Prämissen für die Kommunikation zwischen Menschen. Erstens sei Kommunikation immer vorhanden. Zweitens beinhalte jede Äußerung immer einen inhaltlichen und einen Beziehungsaspekt. Drittens bedinge der Kommunikationsablauf die Art der Beziehung. Friedemann Schulz von Thun differenzierte diese Annahmen weiter und teilte die Kommunikation in wesentliche Aspekte. Demnach sei ein Sachinhalt, Beziehungs-definition, Selbstoffenbarungsanteil und ein Appellcharakter in einer Botschaft enthalten. Auch Heinz von Foerster (1993) erkannte, dass Begriffe keine Allgemeingültigkeit haben, sondern hinter ihnen jeweils eine individuelle und subjektive Bedeutung steht. Daher ist es wichtig nicht die Begriffe zu sehen, sondern die Wirklichkeitswahrnehmung, die dahinter liegt (vgl. ebd. ). Abschließend werden hier die Annahmen von Niklas Luhmann dargestellt, da sie den Charakter von sozialen Systemen nochmals deutlich machen und wichtige Informationen für den Berater zum Umgang mit Systemen geben. Er geht davon aus, dass soziale Systeme sich durch Kommunikation abgrenzen, ihre Elemente sich aus dem System selbst konstruieren und sie zur Reduzierung von Komplexität der Realität dienen. Zudem sei nicht eine Person, sondern eine sprachliche oder nicht-sprachliche Äußerung ist die kleinste kommunikative Einheit. Die Aspekte eines Systems müssen bei dem Beratungsprozess von Organisationen berücksichtigt werden. Aus ihnen folgt, dass die Veränderung aus dem Klienten selbst heraus geschehen muss und nicht von Berater initialisiert wird. (vgl. Migge 2007)

Literatur Ameln, F.; Kramer, J.; Stark, H. (2009). Organisationsberatung beobachtet. Hidden Agendas und blinde Flecke, 1. Aufl., Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Luhmann (1984). Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Maturana, H. R. (1982): Erkennen. Die Organisation des Lebendigen: eine Theorie der lebendigen Organisation. Ausgewählte Arbeiten zur biologischen Epistemologie. Braunschweig/Wiesbaden: Obladen. Migge, B. (2007). Handbuch Coaching und Beratung. 2. Aufl.. Weinheim und Basel: Beltz. Nerdinger, F. W., Blickle, G., Schaper, N. (2011). Arbeits- Und Organisationspsychologie. Berlin/ Heidelberg: Springer Medizin. Papp, P. (1989). Die Veränderung des Familiensystems. Stuttgart: Klett-Cotta. Pisarsky, B. C. (2000). Die Mailänder Schule. Systemische Therapie von der paradoxen Intervention zum epigenetischen Ansatz, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Von Foerster, H. (1985). Sicht und Einsicht. Versuche zu einer operativen Erkenntnistheorie. Braunschweig/Wiesbaden: Obladen. Von Foerster, H. (1993). Wissen und Gewissen. Versuch einer Brücke. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Von Schlippe, A. & Schweitzer, J. (2002). Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung I: Das Grundlagenwissen, 8. Aufl., Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Lutz 2010 fehlt (siehe oben: rot markiert)