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Inhaltsverzeichnis
4.4.1 Grundlagen
Das mechanistische Verständnis von Organisation
Die für die Expertenberatung relevante „klassische“ Management- bzw. Organisationslehre ist weniger Theorie als Methode zur Identifizierung bewährter Praxis und deren Formulierung als Regeln, die als Anhaltpunkt für andere dienen soll und deren Verwirklichung in der Praxis ermöglichen. Mit dem Beginn der industriellen Revolution begannen sich die heute bestehenden Auffassungen von Management- und Organisationlehren zu entwickeln (Kieser & Walgenbach 2003, S.32).
Auf der Ebene der Managementtheorien führte Frederick W. Taylor mit dem „Scientific Management“ (1911) erste und entscheidende Ideen ein, prägte die Maschinenmetapher und bildet die konzeptuelle Grundlage für die Entwicklung der Fließbandproduktion durch Henri Ford. In seinem 1911 erschienen Werk „Principles of scientific Management“ revolutionierte Taylor mit seinen Ideen die traditionelle Arbeitsgestaltung durch die Auflösung von Arbeit der bisher in einer Person sich vereinenden Planung, Durchführung und Kontrolle. Es entsteht ein System, durch welches das Management die Schritte der Planung und Kontrolle übernehmen, wohingegen den Arbeiter nur noch die geplante Arbeitet verrichtet. Damit werden Möglichkeiten der „wissenschaftlichen Betriebsführung“ durch spezialisierte Manager eröffnet, die angeleitet durch die von Taylor entwickelten Management-Prinzipien eine ökonomische Effizienzsteigerung für das Unternehmen bedeuten. Dabei sind neben der Zuschreibung der Planung und Kontrolle zum Management zentrale Prinzipien Taylors u.a., die Arbeitsteilung und damit einhergehende Anleitung der Tätigkeiten durch die Ermittlung des „one-best-way“ sowie die Bezahlung nach erbrachten Leistungen in Bezug zu entsprechenden Zeitstudien, die eine differenzierte Beurteilung möglichen machen (Steinmann & Schreyögg 2000, S. 40).
Als Vertreter der gleichen Zeit ergänzte Henri Fayol die Überlegungen für effizientes Management durch seine 14 Managementprinzipien (Fayol 1919), als eine Art Handlungsanleitung die u.a. die Punkte der Autorität/Verantwortung, Disziplin, Ordnung und Gerechtigkeit sowie die Einheit der Leitung, Zentralisierung, Gerechtigkeit und Einheit der Auftragserteilung beinhaltet. Ebenso unterscheidet Fayol zwischen fünf Mangement- Funktionen der Planung, Organisation, Befehl, Koordination und Kontrolle. Damit lieferte er trotz der aus heutiger Sicht „registrierten Defizite [einen wesentlicher Beitrag zur Managementlehre durch die] systematische [...] Konzeptionalisierung als ́Lehre von den Managementfunktionen` aus der Perspektive des Top Managements“ (Steinmann & Schreyögg 2000, S. 46). Ebenso bedeutsam ist die Annahme, dass durch die Formulierung von Prinzipien als eine Art Handlungsanweisung, ein universell anwendbares Prinzip für Manager geschaffen wird, deren Befolgung eine effiziente Unternehmensführung hervorbringt (Steinmann & Schreyögg 2000, S. 42 ff.).
Ebenso Max Weber, der als Gründervater der Organisationstheorie gilt, wurde als Vertreter seiner Zeit durch die industrielle Revolution beeinflusst. Mit dem Einzug der Mechanisierung und Routinierung in Arbeitsprozesse und die zunehmende gesellschaftliche Orientierung an Effizienz und Rationalität führte bei Weber zur Entwicklung des Bürokratie-Modells. Auf der Ebene der Institutionen hat die Rationalisierung die Bürokratie hervorgebracht, wobei Weber selbst damit nicht die Beschreibung der Realität meint, sondern einen Idealtypus als Übersteigerung, wodurch die wesentlichen Eigenschaften in Blick gefasst werden können (Kieser & Walgenbach 2003, S. 38). Diese bestehen in einem „voll entwickelt[em] bürokratisch[em] Mechanismus [darin, dass dieser sich verhält] wie eine Maschine [...]. Präzision, Schnelligkeit, Eindeutigkeit, Aktenkundigkeit, Kontinuierlichkeit, Diskretion, Einheitlichkeit, straffe Unterordnung, Ersparnisse an Reibungen, sachliche und persönliche Kosten sind bei streng bürokratischer [...] Verwaltung auf das Optimum gesteigert“ (Weber 1972, S. 561f.).
Das in diesen Ansätzen sich niederschlagende mechanistische Verständnis, welches sich vor allem durch die universelle Übertragbarkeit und dem „one-best-way“ sowie durch die sachorientierte, personenunabhängige Perspektive der Optimierung kennzeichnet, ist ausschlaggebend für die traditionelle Form der Unternehmensberatung, die Expertenberatung. Der Hintergrund der Management- und Organisationslehre bietet eine Grundlage für die Grundsätze der Expertenberatung sowie deren Beratungsverständnis und der daraus folgenden Praxis.
Das Beratungsverständnis der Experte
Wie schon mehrfach betont geht es bei der Expertenberatung um das Nutzen des Wissens des Beraters, seiner Expertise, um für das entsprechende Problem eines Unternehmens eine Lösung zu finden, die im Prinzip schon da ist und nur noch angewandt werden muss. Eher einfach ist dabei die Zuweisung der Expertise bei z.B. dem „Steuer- und Arbeitsrecht, [da dieses] Wissen gut kodifizierbar, als Zugangsbarriere zur Beratungstätigkeit prüfbar und via Ausbildung weiter vermittelbar ist“ (Schneider 1995, S. 140). Schwieriger wird es bei Themen, die menschliches Verhalten inkludieren wie Organisation und Führung oder auch Strategiefindung. Dennoch ist dies im Beratungsansatz durch das Verständnis des „Managements als erlernbares Handwerk“ (ebd) möglich. Dies meint, angelehnt an die vorherige Grundlage der Managementlehre in Kapitel 3.1, dass die Aufgabe des Managements ein Unternehmen bestmöglich zu führen, durch die Herleitung von sinnvollen Modellen, Methoden und Instrumenten auf theoretischen Grundlagen oder mittels empirischer Untersuchungen erfolgt (ebd.). Dieses an den Naturwissenschaften orientierte Verständnis eines durch Rationalität bestimmten Managements, welches sich damit auch bedeutsam für die Expertenberatung zeigt, beinhaltet folgende Grundlagen:
- Management als Wissenschaft des wirtschaftlichen Erfolgs durch rationale Vorgehensweisen
- Entwicklung der rationalen Vorgehensweisen durch spezialisierte Experten
- Relevanz des Ergebnisses, der Weg dorthin ist irrelevant
- Durch diese Ausrichtung wird Management als erlernbar angesehen, wobei der
Experte lehrt
- (Experten-)Berater stellen dabei die Verbindung zwischen Theorie und Praxis her
bzw. vermitteln die ́best practice` (Schneider 1995, S. 141)
Entsprechend dessen formulieren von Ameln, Kramer & Stark (2009, S. 33) die Qualität in der Fachberatung über
- fundiertes Wissen über branchenspezifische Markttrends und globale Entwicklungen;
- Verständnis für die Geschäftsprozesse des Kunden und Wissen über
Optimierungsmöglichkeiten;
- Kenntnis der Branche, ihrer typischen Schwierigkeiten und best-practice-Modellen zu
ihrer Lösung;
- hochqualifizierte Berater mit der Fähigkeit, sich extrem schnell in komplexe
Problemstellungen einzuarbeiten, sowie mit ausgeprägten analytischen Fähigkeiten;
- erprobte Tools zur Erarbeitung strukturierter Lösungen;
- Netzwerk von hausinternen Spezialisten, auf deren Wissen und Erfahrungen
Bedarfsfall zugegriffen werden kann.
Edgar H. Schein unterteilt die Expertenberatung in Abgrenzung zur Prozessberatung, mit der sich das Kapitel 4 beschäftigt, in zwei verschiedene Modelle, die sich durch die Beraterrolle und die entsprechende Hilfestellung für den Beratenen unterscheiden: das „Telling-and- Selling-Modell“ und das „Arzt-Patienten-Modell“. Im „Telling-and-Selling-Modell“ geht der Kunde davon aus, dass Informationsbedarf in der Organisation besteht, welcher mit den eigenen Ressourcen nicht zu decken ist. Er nimmt eine Expertendienstleistung in Anspruch, die auf Grundlage eines definierten Bedarfs ausgewählt wird. Die Erfolgschancen dieser Art der Beratungsdienstleistung macht Schein von den nachfolgenden Faktoren abhängig, die einen Hinweis darauf geben, warum nach dem Beratungsprozess nicht immer Zufriedenheit mit dem Ergebnis vorherrscht. Für erfolgreiche Beratung ist es daher wichtig, dass zunächst der tatsächliche Bedarf in der jeweiligen Organisation korrekt erfasst wird, der dann wiederum umfassend an den Berater kommuniziert werden muss. Ebenso muss die Auswahl des Beraters bezüglich des Bedarfs korrekt erfolgen wie auch die Konsequenzen durch den Beratungsprozess mit einbezogen werden. Grundlage des ganzen Beratungsprozesses ist dabei die Annahme, dass eine externe Realität vorhanden ist, die objektiv fassbar ist und sich in Wissen generieren lässt, welches der Organisation zur Verfügung gestellt werden kann (Schein 2000, S. 25ff.).
Das „Arzt-Patient-Modell“ geht dabei von einem weniger wissenden Kunden aus, der ineffiziente Schwachstellen innerhalb der Organisation ausfindig machen möchte und dazu den Berater beauftragt eine „Diagnose“ zu stellen und entsprechende Veränderungsstrategien zu „verschreiben“. Dabei geben die Vertreter der Organisation die Verantwortung an den Berater ab und dem Experten mit seinem Wissen kommt eine gewichtige Bedeutung zu. Die Diagnose stützt sich dabei zumeist auf Interviews, psychologische Tests und Fragebögen, die schriftlich ausgewertet und mit der entsprechenden Empfehlung an den Auftraggeber versehen werden. Problematisch ist dabei die implizite Annahme, dass der Berater durch sein Know - How als einziger an entsprechende Informationen gelangt, um die Schwachstellen innerhalb der Organisation ausfindig zu machen und eine Diagnose zu stellen. Diese Informationen können schlichtweg von den Informationspreisgebern verweigert werden. Ebenso kann die Diagnosephase indirekt zu einer Interventionsphase innerhalb der Organisation führen, da sich die Befragten nach dem Grund der Beratungstätigkeit fragen und dies zu unbekannten Folgen führen kann. Schlussendlich führt Schein auch hier Faktoren an, die den Erfolg beeinflussen. Zum einen stellt sich die Frage, inwieweit der Auftraggeber definiert hat, welcher Teilbereich der Organisation diagnostiziert werden soll; ebenso, welche Informationen die Befragten preisgeben. Ist der Berater zu einer Empfehlung gelangt, stellt sich die Frage, inwieweit der Kunde diese versteht, bereit ist sie anzunehmen und überhaupt fähig ist, sie durchzuführen (Schein 2000, S. 30 ff.).
Der Beratungsprozess
Der Beratungsprozess verläuft projektartig, d.h. im Sinne des Projektmanagement als Vorhaben mit „innovative[n] und komplexe[n] Aufgabenstellung[en] (keine Routineangelegenheit), konkreter Zielsetzung, begrenzte zeitliche, personelle und finanzielle Ressourcen“ (Schiersmann & Thiel, 2011, S. 168) fassen. Das oberste Ziel der Expertenberatung ist das Nutzen des Expertenwissens zur Förderung der Fähigkeiten der Unternehmensführung (von Ameln, Kramer & Stark 2009, S.34). Der Beratungsprozess verläuft dabei im klassischen Ablauf einer Beratung von der Kontaktphase, über die Akquisitionsphase, die Angebotsphase und Vertragsgestaltung und schlussendlich die Auftragsdurchführung und Qualitätssicherung (Niedereichholz 2013, S. 1ff.). Im Folgenden wird die Auftragsdurchführung genauer betrachtet, um daraufhin Methoden der Praxis darzustellen. Diese fünfte Phase des Beratungsprozesses lässt sich weiter aufgliedern in die folgenden Punkte der Durchführung (nach Niedereichholz 2013, S.2):
- Ist-Analyse
- Zielsetzung
- Sollkonzept grob fein
- Realisierungsplanung
- Präsentation und Berichterstellung
- Realisierung
- Auftragsabschluss und Evaluation
- Klientenpflege
Niedereichholz versteht dabei den standardisierten Verlauf der Beratung mit dem Beginn der Analyse des IST-Zustandes der betroffenen, nach Problemlösung suchenden Organisation oder deren Teilbereich. Auf der Grundlage der Analyseergebnisse werden daraufhin Ziele festgelegt sowie Problemlösungen aufgestellt, die im Sollkonzept enthalten sind. Im nächsten Schritt, der Realisierungsplanung, werden Maßnahmen formuliert, die Machbarkeit überprüft und Risikoabsicherung erfahren und schließlich in der Realisierung in einem zeitlich festlegten Rahmen konkret vollzogen. Ebenso gehört zum Beratungsprozess die Evaluation des methodischen Vorgehens und des Zielerreichungsgrades (Niedereichholz 2013, S.1). Im Weiteren werden exemplarisch, aufgrund der begrenzten Umfangs der Arbeit, einzelne Methoden bezüglich der Problemanalyse und –lösung, der Zielsetzung sowie der Realisierungsplanung vorgestellt.