3.5 Hierarchien im Unternehmen
Hierarchien sind im unternehmerischen Alltag fest verankert, weshalb in diesem Kapitel in das Thema „Hierarchien in Unternehmen“ eingeführt werden soll. Dabei wird zunächst der Begriff Hierarchie erläutert, die Aufbauorganisation, welche die hierarchische Basis eines Unternehmens ist, dargestellt, und die Funktionen und Vorteile von Hierarchien beschrieben. Anschließend werden die in Verbindung mit Hierarchie relevanten Termini Leitungsspanne und Leitungstiefe erklärt. Weiterhin werden die Vor- und Nachteile von flachen bzw. steilen Hierarchien und schließlich die Einflussmöglichkeiten der Mitarbeiter auf das hierarchische System vorgestellt. Das Wort „Hierarchie“ entstammt dem Griechischen und leitet sich von den Begriffen „hieros“, was „mit göttlicher Kraft erfüllt“ (Wieland 1996, S. 37) bedeutet, und „archos“ („Herrscher“) ab (vgl. ebd.). Auf Unternehmen könnte man dies folgendermaßen übertragen: Der „Herrscher“ (= Führungskraft, Unternehmensleitung) ist mit „göttlicher Kraft erfüllt“, da er/sie Weisungsrechte und eine gewisse Befehlsgewalt über untergeordnete Mitarbeiter hat. In Unternehmen beschreiben Hierarchien das „fest geordnete System von Über- und Unterordnung“ (Schreyögg 2012, S. 42). Hierarchien werden eingerichtet, da angenommen wird, dass auf diese Weise die Mitarbeiter am besten auf die Erreichung der Unternehmensziele fokussiert werden können (vgl. Dobler et al. 2011, S. 50). Hierarchien sind in fast allen Unternehmen zu finden. Selbst sogenannte selbstverwaltete Unternehmen, in denen alle Mitarbeiter gleichberechtigt an Entscheidungen teilhaben sollten, bilden sich hierarchische Strukturen spätestens dann aus, sobald die Mitarbeiteranzahl 25 überschritten hat (vgl. Kühl 2011, S. 70; Vilmar & Weber 2004, S. 120). In einer Unternehmenshierarchie erhalten einige Mitarbeiter spezielle Rechte, die es ihnen erlauben, Entscheidungen zu treffen und Anweisungen an untergeordnete Arbeitskräfte zu geben. Diese Mitarbeiter werden Führungskräfte oder Instanzen genannt. Die untergeordneten Mitarbeiter müssen die Anweisungen der Führungskräfte ausführen (vgl. Laux & Liermann 2003, S. 100) (s. Kapitel 3.5.1).
3.5.1 Der hierarchische Rahmen: Die Aufbauorganisation
Die Aufbauorganisation setzt den hierarchischen Rahmen der Organisation. Das kleinste Element innerhalb der Aufbauorganisation ist die Stelle, die für die Bearbeitung einer spezifischen (Teil-)Aufgabe verantwortlich ist. In Aufbauorganisationen gibt es verschiedene Arten von Stellen: Die ausführende, die beratende und die leitende Stelle. Die ausführenden Stellen befolgen die Anweisungen der leitenden Stellen. Die beratenden Stellen, die auch Stabsstellen genannt werden, stehen den leitenden Stellen unterstützend beiseite, um eine Überforderung der Führungskräfte zu vermeiden. Sie besitzen jedoch keine Weisungsrechte, sondern assistieren lediglich den Führungskräften und bereiten z.B. Entscheidungen vor. Für die leitende Stelle schließlich, auch Instanz genannt, ist die „Übereinstimmung von Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung“ (Brauchle & Pifko 2011, S. 73) essentiell. Mit „Kompetenzen“ sind die mit der Stelle im Zusammenhang stehenden Rechte gemeint, die sich auf die Weisungs- und Entscheidungsrechte, die eine Führungskraft innehat, beziehen (vgl. ebd., S. 73f.). Diese Kompetenzen werden in horizontaler sowie vertikaler Richtung voneinander unterschieden, wodurch eine „Hierarchie von Weisungsrechten“ (Laux & Liermann 2003, S. 180) gebildet wird. In horizontaler Richtung wird die Abgrenzung „gegenüber anderen Instanzen der gleichen Gliederungsstufe vorgenommen, während die vertikale Abgrenzung gegenüber Instanzen der übergeordneten oder nachgeordneten Gliederungseinheiten erfolgt“ (ebd.). Die leitende Stelle hat vier Funktionen: Planen, Entscheiden, Anordnen und Kontrollieren (vgl. Brauchle & Pifko 2011, S. 73f.). Durch das Zusammenführen vieler Stellen entsteht eine Abteilung, der eine Abteilungsleitung (Instanz) vorgesetzt ist. Auf diese Weise bildet sich die Unternehmenshierarchie heraus (vgl. Fiedler 2010, S. 26). Durch den hierarchischen Aufbau wird bei Abstimmungsschwierigkeiten auf folgendes Vorgehen zurückgegriffen: Der Mitarbeiter auf der unteren Hierarchieebene gibt das Abstimmungsproblem zu den Mitarbeitern auf die höhere Hierarchieebene weiter, die wiederum das Problem noch weiter nach oben geben, bis eine Führungskraft auf einer Leitungsebene die Kompetenz besitzt, das Abstimmungsproblem zu lösen und Anweisungen an die Mitarbeiter zu geben, die von dieser Führungskraft koordiniert werden. Durch die pyramidenartige Aufstellung von Hierarchien, gibt es immer eine Führungskraft, die eine Entscheidung fällen muss, spätestens auf der höchsten Hierarchieebene. Diese Art der Abstimmung impliziert, dass mit steigender Hierarchieebene auch das Wissen und die Kompetenzen des dort arbeitenden Personals wachsen. Bei einer hierarchischen Abstimmung tritt jedoch häufig das Problem auf, dass die Instanzen nicht ausreichend informiert sind oder nicht genug Wissen in dem spezifischen Bereich besitzen, um das Abstimmungsproblem adäquat zu lösen. Um Rückfragen oder weiterführende Informationen einzuholen, ist jedoch im Arbeitsalltag einer Führungskraft häufig zu wenig Zeit (vgl. Schreyögg 2012, S. 42-45) (s. auch Kapitel 3.5.5). Es ist wichtig, dass die Hierarchie beständig und stabil ist, damit die Zuständigkeiten für Abstimmungen und Abstimmungsprobleme dauerhaft funktionieren können. Diese Stabilität kann hergestellt werden, indem das Unternehmen in einem sogenannten Einliniensystem aufgestellt ist. In einem Einliniensystem ist jedem Mitarbeiter nur ein Vorgesetzter zugeteilt, der ihm Aufträge und Anweisungen erteilt. Im Gegensatz dazu steht das Mehrliniensystem, in welchem mehrere Vorgesetzte eine Weisungsbefugnis für einen Mitarbeiter haben und der Mitarbeiter verpflichtet ist, mehreren Instanzen Bericht zu erstatten (vgl. ebd., S. 43). Im Folgenden ist dies schematisch dargestellt.
Abbildung 1: Einlinien- und Mehrliniensystem (eigene Darstellung)
3.5.2 Funktionen und Vorteile von Hierarchien
Das Einrichten einer Hierarchie hat unterschiedliche Funktionen und bietet viele Vorteile für Unternehmen. Zunächst ermöglichen Hierarchien einen Weg zur Konfliktlösung. Bei einem Konflikt kann man sich auf die Hierarchie berufen und diesen so entschärfen, da derjenige, der bei strittigen Themen die Entscheidungsgewalt hat, eindeutig bestimmt ist (vgl. Schreyögg 2012, S. 43). Ein weiterer Vorteil von Hierarchien ist, dass Verantwortlichkeiten eindeutig zugeteilt sind und außerdem eine hohe „Einheitlichkeit und Verlässlichkeit der zentralen Steuerung“ (Pongratz 2003, S. 18) besteht (vgl. ebd.). Mithilfe der Hierarchie können auch Anreize für den beruflichen Ehrgeiz der Mitarbeiter geschaffen werden. So gibt die hierarchische Struktur des Unternehmens den Weg vor, auf dem beruflich aufgestiegen werden kann. Gleichzeitig spiegelt die eigene Stellung innerhalb der hierarchischen Ordnung den beruflichen Erfolg wider (vgl. Schreyögg 2012, S. 44f.). Durch die Hierarchie wird die Autorität in einem Unternehmen garantiert. In hierarchischen Strukturen ist unabdingbar, dass Anweisungen höherer Ebenen von den jeweiligen untergebenen Ebenen ausgeführt werden (vgl. ebd., S. 45). Ohne die Akzeptanz der hierarchischen Strukturen seitens der Mitarbeiter können Hierarchien in Unternehmen nicht durchgesetzt werden. Die Akzeptanz der vorhandenen Hierarchien wird dadurch gewährleistet, dass sie Bedingung für die Aufnahme als Mitarbeiter ist. Auf diese Weise bieten sich für die Führungskräfte viele Vorteile: Wenn Entscheidungen getroffen werden, muss keine Rücksicht auf die Gefühle oder Bedürfnisse der Mitarbeiter genommen werden, da in einem hierarchischen System Entscheidungen und Beschlüsse nicht von den Mitarbeitern und Vorsitzenden gemeinsam erarbeitet werden, sondern die Führungskraft selbstständig die Entscheidung treffen kann. Die Mitarbeitenden verpflichten sich mit dem Arbeitsbeginn im Unternehmen dazu, den Anweisungen der Vorgesetzten Folge zu leisten – unabhängig davon, ob ihnen die Entscheidungen der Vorgesetzten zusagen. So kann von Seiten der Führungskräfte des Unternehmens schneller und effektiver auf Veränderungen in der Umwelt eingegangen werden und auch bei den Mitarbeitern unbeliebte Veränderungen initiiert werden, die das Unternehmen aber voranschreiten lassen (indem beispielsweise ein Teil des Herstellungsprozesses ins Ausland verlegt wird) (vgl. Kühl, 2011, S. 71-75). Die Akzeptanz hierarchischer Strukturen nimmt jedoch ab. Die Entwicklung in der Gesellschaft bewegt sich in Richtung der flachen Hierarchien und auf Arbeits- und Abstimmungsformen, in denen auch Mitarbeiter der unteren Hierarchieebenen Selbstbestimmungs- und Mitspracherechte besitzen (vgl. Schreyögg 2012, S. 45). Es ergeben sich je nachdem, ob eine Hierarchie flach oder steil ausgerichtet ist, noch spezifische Vor- und Nachteile für die jeweilige Form (s. Kapitel 3.5.4). Die flache bzw. steile Form von Hierarchien ergibt sich aus der Leitungsspanne und -tiefe.
3.5.3 Leitungsspanne und -tiefe
Die Leitungsspanne, auch als Kontrollspanne bezeichnet, beschreibt die Anzahl der Mitarbeiter, denen eine Instanz vorgesetzt ist (vgl. Brauchle & Pifko 2011, S. 73). In den vergangenen Jahrzehnten wurde der Frage, welche die optimale unterstellte Anzahl von Mitarbeitern unter einer Führungskraft ist, viel Aufmerksamkeit gewidmet. Ermittelt wurde damals eine Leitungsspanne von 3-10 Mitarbeitern je Führungsperson. Heutzutage würde man jedoch zur Beantwortung einer solchen Frage viele weitere Faktoren berücksichtigen, wie beispielsweise die Aufgabenart, ob Entscheidungen im Unternehmen zentral (hierbei liegt die Entscheidungsgewalt nur auf den oberen Hierarchieebenen) oder dezentral (Entscheidungsmacht auch auf unteren Ebenen) gefällt und welche Technologien verwendet werden. Des Weiteren müssen bei der Entscheidung über die Weite der Kontrollspanne auch die Qualifikationen, sowohl der Mitarbeitenden als auch der Führungskraft selbst, beachtet und auch die Anzahl der beratenden Stellen, die die Instanzen unterstützen sollen, mit in den Blick genommen werden (vgl. Fiedler 2010, S. 26f.; Hutzschenreuter 2009, S. 421; Kneubühl & Züger 2012, S. 32; Schreyögg 2012, S. 44). Je weiter die Leitungsspanne ist, desto größer muss der Einsatz der Führungskraft in Bezug auf Koordinierung und Kontrolle der Mitarbeiter sein (vgl. Hutzschenreuter 2009, S. 421). Eine Überforderung der Führungskraft durch den Umfang der Kontrollspanne sollte auf jeden Fall vermieden werden (vgl. Fiedler 2010, S. 26). Generell gilt: Je weiter die Kontrollspanne bei einer gegebenen Mitarbeiteranzahl X, desto flacher ist die Hierarchie dieses Unternehmens. Umgekehrt entsteht eine flachere Hierarchie demnach, wenn man die Kontrollspannen der Führungskräfte erweitert. Bei steilen Hierarchien sind die Kontrollspannen kleiner (vgl. Brauchle & Pifko 2011, S. 73; Fiedler 2010, S. 27). Es existiert ein starker Zusammenhang zwischen der Leitungsspanne und der Leitungstiefe, die auch Gliederungstiefe genannt wird und die die Anzahl der Hierarchieebenen beschreibt. In der Regel gilt: Je kleiner die Kontrollspanne, desto mehr Ebenen hat die Hierarchie (höhere Leitungstiefe) bzw. je größer die Kontrollspanne, desto weniger Ebenen hat die Hierarchie (geringere Leitungstiefe) (vgl. Brauchle & Pifko 2011, S. 73; Hutzschenreuter 2009, S. 421; Kneubühl & Züger 2012, S. 65; Laux & Liermann 2003, S. 187). Um Hierarchien in unterschiedlichen Unternehmen vergleichen zu können, wurde eine Formel entwickelt, mit der die Hierarchiekonfiguration ermittelt werden kann (vgl. Schreyögg 2012, S. 44). Zur Berechnung des Konfigurationsindex (S) wird die Anzahl der Hierarchieebenen (L) und die Anzahl der Mitarbeiter (N) benötigt (vgl. ebd.).
Die Formel zur Berechnung lautet: S =√(L&N)
An einem Beispiel soll diese Rechnung im Folgenden demonstriert werden. Unternehmen A hat 3500 Mitarbeiter und vier Hierarchieebenen. Daraus ergibt sich die Rechnung: ∜3500 ≈7,69
Unternehmen B hat demgegenüber 6300 Mitarbeiter und sieben Hierarchieebenen. √(7&6300) ≈3,49 Je kleiner der S-Wert, desto steiler ist die Hierarchie des Unternehmen in Relation zum Vergleichsunternehmen. In diesem Beispiel besitzt Unternehmen B demnach eine steilere Hierarchie als Unternehmen A (vgl. ebd.).
3.5.4 Flache und steile Hierarchien
Durch Kriterien wie Kontrollspanne und Leitungstiefe ergibt sich die äußere Form der Hierarchie, die sich grafisch in Form einer Pyramide darstellen lässt. Je nach Hierarchieart des Unternehmens zeigt sich dabei entweder eine flache oder eine steile Pyramidenform. Eine steile Hierarchie wird durch eine steile Pyramide dargestellt. Sie besitzt eine hohe Anzahl von Hierarchieebenen und damit eine hohe Leitungstiefe. Flache Hierarchien zeichnen sich durch die vielen Führungskräfte auf einer hierarchischen Ebene aus. Die Kontrollspanne ist groß, die Leitungstiefe gering. Grafisch werden flache Hierarchien durch eine flache und breite Pyramide dargestellt (vgl. Kneubühl & Züger 2012, S. 31).
Abbildung 2: äußere Form der Hierarchie (vgl. Kneubühl & Züger 2012, S. 31)
Die Ausrichtung eines Unternehmens hin zu einer flachen oder eine steilen Hierarchie bringt unterschiedliche Vor- und Nachteile mit sich. Dies bezieht sich sowohl auf die Kommunikationswege innerhalb des Unternehmens als auch auf die Entscheidungsfindung und die Personalkosten (vgl. Fiedler 2010, S. 27).
In flachen Hierarchien ist der Informationsfluss schneller, da der Kommunikationsweg kürzer ist. Auf diese Weise können Entscheidungsprozesse beschleunigt werden und das Unternehmen kann sich flexibler an Veränderungen anpassen (vgl. ebd.). Die Vorteile von flachen Hierarchien äußern sich zudem in den reduzierten Ausgaben für Löhne, da weniger Führungskräfte eingestellt werden müssen. Außerdem erhöhen flache Hierarchien die Selbstständigkeit und -verantwortung der Mitarbeiter (vgl. Bundesministerium des Innern 2013; Michel 2011, S. 206). Große Unternehmen, die eine flache Hierarchie besitzen, sind insbesondere in der Informationstechnologie zu finden. So besitzt beispielsweise die SAP AG nur sehr wenige hierarchische Ebenen: Es gibt die Ebene des Vorstands, dann die Abteilungsleiter und schließlich die ausführenden Stellen (vgl. Fiedler 2010, S. 27).
Die Nachteile einer flachen Hierarchie könnten sich in einer Überforderung der vorhandenen, wenigen Führungskräfte zeigen, die aufgrund der großen Kontrollspanne sehr viel „im Blick“ haben und viele Mitarbeiter kontrollieren müssen. Dies kann Konsequenzen auf die Qualität der Führungsarbeit, die Zufriedenheit der Mitarbeiter und letztlich auf die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens haben. Da in flachen Hierarchien wenige höher gestellte Positionen vorhanden sind, gibt es für die Mitarbeiter auch kaum Möglichkeiten, auf der Karriereleiter eine höhere Position einzunehmen. Außerdem könnten flache Hierarchien das Entstehen von informellen Hierarchien begünstigen (vgl. Bundesministerium des Innern 2013; Michel 2011, S. 206).
Die Vorteile einer steilen Hierarchie liegen im höheren Einfluss, den Führungskräfte in diesen Unternehmen besitzen. Durch viele Hierarchiestufen ergeben sich außerdem für die Führungskräfte höhere zeitliche Kapazitäten für die Ausführung von Führungsaufgaben. Des Weiteren ermöglichen steile Hierarchien ein höheres Maß an Kontrolle und Koordinationsmöglichkeiten (vgl. Bundesministerium des Innern 2013).
In Unternehmen mit steilen Hierarchien sind die Kommunikations- und Informationswege schwerfälliger. Ein weiterer Nachteil sind die hohen Personalkosten, die entstehen, wenn viele Führungskräfte im Unternehmen arbeiten. Außerdem besteht eine „Tendenz zu unselbstständigen Beschäftigten“ (ebd.) und das Unternehmen ist insgesamt weniger flexibel (vgl. ebd.).
3.5.5 Möglichkeiten der Einflussnahme durch den Mitarbeiter
Die Mitarbeiter haben – in begrenztem Ausmaß – Möglichkeiten, auf die hierarchischen Strukturen und Beziehungen in ihrem Unternehmen Einfluss zu nehmen. Die Zergliederung des Arbeitsablaufes in kleine Handlungsprozesse und einzelne Aufgabenabschnitte führt dazu, dass sich die Mitarbeiter auf ihrem spezifischen Fachgebiet ein hohes Wissen angeeignet haben. Die Vorstellung, dass die Führungskräfte die Aufgaben ihrer Mitarbeiter in gleicher Qualität selbst ausführen könnten, weil sie die gleiche Expertise besitzen, ist in heutiger Zeit in großen Unternehmen nicht mehr haltbar. Damit ergibt sich eine Diskrepanz zwischen hierarchischer und fachlicher Autorität und für die Mitarbeiter die Möglichkeit, durch ihr Fachwissen Einfluss auf die ihnen in der Hierarchie Vorgesetzten zu nehmen (vgl. Kühl 2011, S. 77f.). Crozier und Friedberg erläutern dies anschaulich anhand eines Beispiels. In einer Werkstatt gibt es drei Mitarbeitergruppen: Die Werkstattleiter, die die höchste hierarchische Position einnehmen, die Produktionsarbeiter, die keine hohe Qualifikation besitzen und die Arbeit an den Maschinen verrichten sowie die Wartungsarbeiter, hoch qualifizierte Personen, die die Maschinen warten und gegebenenfalls Reparaturen durchführen. Obwohl die Werkstattleiter die eigentliche Leitung der Werkstatt darstellen, sind sie gänzlich auf die Wartungsarbeiter angewiesen. Wenn eine Maschine defekt ist, sind die Wartungsmitarbeiter die einzigen Personen in der Werkstatt, die sie reparieren können. Von der Arbeit der Wartungsarbeiter ist demnach der reibungslose Verlauf in der Werkstatt abhängig. Auf diesem Weg findet eine inoffizielle Umkehrung der Rollen statt. Durch ihre „dominierende Stellung“ (Crozier & Friedberg 1979, S. 37) haben die Wartungsarbeiter die Position eingenommen, die in der offiziellen hierarchischen Ordnung den Werkstattleitern zugedacht ist. Die Werkstattleiter sehen keine Möglichkeiten, den Handlungen der Wartungsarbeiter entgegenzuwirken. Der Einfluss der Wartungsarbeiter im Unternehmen ist immens. Ihr spezielles Fachwissen ermöglicht es ihnen, Einfluss auf die Hierarchie im Unternehmen zu nehmen (vgl. ebd., S. 35ff.). Auch die Kommunikationswege können in hierarchischen Unternehmen nicht ausnahmslos durch die Führungskräfte bestimmt werden. Soziale Interaktion zwischen bestimmten Personen kann von hierarchischer Seite nicht unterbunden werden. Es werden immer Wege gefunden, auf denen Kommunikation zwischen Mitarbeitern stattfindet, die von der Hierarchie nicht vorgesehen waren und nicht kontrolliert werden können (z.B. im Aufenthaltsraum) (vgl. Kühl 2011, S. 79).
3.5.6 Zusammenfassung
Hierarchien spielen im Alltag von Unternehmen eine große Rolle. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass einige Personen (Führungskräfte/Instanzen) anderen vorgesetzt und mit Weisungsrechten ausgestattet sind, die es ihnen erlauben, Aufträge an die Mitarbeiter der untergeordneten Ebenen zu geben. Wie viele Mitarbeiter einer Instanz untergeordnet sind, gibt die Kontrollspanne an. Im Zusammenhang mit Kontrollspanne und Leitungstiefe (ausgedrückt über die Anzahl der Hierarchieebenen) steht, ob eine Hierarchie flach (große Kontrollspanne, geringe Leitungstiefe) oder steil (kleine Kontrollspanne, hohe Leitungstiefe) ist. Beide hierarchischen Formen haben ihre Vor- und Nachteile. Zu den wichtigsten Vorteilen der flachen Hierarchien zählen die geringeren Personalkosten, die kurzen Kommunikationswege und die Eigeninitiative der Mitarbeiter. In steilen Hierarchien hingegen haben Führungskräfte mehr Zeit, sich den Führungsaufgaben zu widmen, da die Kontrollspanne kleiner ist. Außerdem besteht für die Führungskräfte eine höhere Einflussnahme und bessere Möglichkeiten der Kontrolle. Mitarbeiter haben jedoch auch die Möglichkeit, z.B. aufgrund ihres Fachwissens auf die Hierarchie Einfluss zu nehmen. O.B.ST. ist ein Unternehmen mit einer hierarchischen Struktur (s. Organigramm in Kapitel 6.3). Das Direktorium (Frau Birne und Herr Apfel) kann Anweisungen an die untergeordneten Mitarbeiter geben. Dazu gehört auch die IT-Abteilung. Neben den offiziellen, in der Aufbauorganisation festgehaltenen Hierarchien bilden sich in der IT-Abteilung auch noch weitere, inoffizielle hierarchische Beziehungen zwischen den Mitarbeitern.
Quellenverzeichnis
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