3.4 Teamarbeit und Teamprozesse
Schon seit längerem ist ein Trend von der Einzel- zur Teamarbeit in modernen Organisationen erkennbar. Arbeitgeber wünschen sich „Teamfähigkeit“ von ihren MitarbeiterInnen und auch die Führung von Organisationen wird zunehmend kollektiv geleistet (vgl. Graf 2010, S. 35). Eine Personengruppe kann dann als Team bezeichnet werden, wenn ihre Mitglieder über einen gewissen Zeitraum miteinander interagieren, dabei unterschiedliche Rollen bekleiden (Arbeitsteilung), gemeinsame Normen und Werte besitzen und ein Zugehörigkeitsgefühl zu ihrem Subsystem empfinden (vgl. Gebert 2004, S. 23). Im diesem Teil wird zunächst auf einige generelle Argumente eingegangen, die für und gegen den Einsatz einer Arbeitsgruppe sprechen. Im Anschluss wird thematisiert, wie eine Gruppe zum Team wird (und was dieses ausmacht) und abschließend auf einige Effekte verwiesen, die bei der Arbeit mit mehreren Personen im Team relevant sein können.
3.4.1 Positive und negative Aspekte der Teamarbeit
Nach Wegge (2004) gibt es einige wesentliche Argumente, die in Organisationen für ein Streben hin zur Team- und weg von der Einzelarbeit sprechen: 1. Ein flexibles Reagieren auf ein sich rasant veränderndes, globales Marktgeschehen kann in Teamarbeit besser geleistet werden; 2. Dem Wunsch vieler ArbeitnehmerInnen nach Selbstverwirklichung und der Übernahme von Verantwortung kann in größtenteils selbstständig agierenden Teams entgegen gekommen werden; 3. Der technische Fortschritt sowie die Entwicklung komplexen, kurzlebigen Wissens führt dazu, dass gewisse Arbeiten nicht mehr als Einzelperson bewältigbar sind; und 4. Für lang andauernde, komplexe Aufgaben ist der Einsatz einer Arbeitsgruppe effektiver (vgl. Wegge 2004, S. 30f.). Bei näherer Betrachtung von Teamarbeit stößt man auf weitere Vorteile für Organisation und Individuum: Die Gefahr von Fehlentscheidungen ist geringer, Einzelne entwickeln angespornt durch die Gruppe eigene Aktivitäten, durch Austausch kommt es zu einem erweiterten Problemverständnis, was wiederum zu mehr Lösungsvorschlägen führt; die Kollektivkontrolle verhindert unsauberes Arbeiten und menschliche Bedürfnisse nach Kontakt und Schutz werden befriedigt (vgl. Rahn 2010, S. 16). Andererseits sind die Interaktionsmöglichkeiten (insb. in großen Teams) komplex bis unübersichtlich, was den Informationsfluss und die Entscheidungsfindung erheblich verlangsamen kann. Dementsprechend stellt sich gegenüber der Einzelarbeit ein deutlich höherer Organisations- und Koordinationsaufwand ein (vgl. Wegge 2004, S. 68f.). Ein weiterer Nachteil besteht in der Schwierigkeit, Leistungen Einzelner zu ermitteln. Hierbei sollte Folgendes bedacht werden: „Menschen unterscheiden sich deutlich in ihren Leistungen und sie erwarten schon allein aus Gerechtigkeitserwägungen, dass solche Unterschiede letztlich auch wahrgenommen (gemessen) und entsprechend entlohnt werden“ (ebd., S. 69). Ist dies nicht der Fall, kann es zu Konflikten im Team und Motivationseinbußen auf Seiten des Benachteiligten kommen. Weiterhin ist zu bedenken, dass ein Team i.d.R. eine weitestgehend selbstständig arbeitende Einheit bildet. Kontrollfunktionen, die bei Einzelarbeit die Führung innehätte, liegen in der Arbeitsgruppe selbst – Machtverhältnisse sind von außen nicht einsehbar, was zu Machtmissbrauch inner- und außerhalb des Teams führen kann. Hat die Arbeitsgruppe ein stark ausgeprägtes Wir-Gefühl, wird dies die Durchsetzung von Entscheidungen, die von einer Außengruppe (Führung) an sie heran getragen werden, erheblich erschweren. Ebenso ist ein Zugang für neue, zunächst teamfremde Mitglieder problematisch (vgl. Rahn 2010, S. 19). Die Ausübung von Zwang oder Strafen, „kann zu Trotzeffekten führen, insbesondere wenn der Vorgesetzte als Vertreter einer ungeliebten Fremdgruppe eingeschätzt wird … oder seine Position illegitim erscheint“ (Wegge 2004, S. 71). An dieser Stelle sind Führungsformen erforderlich, die in der Lage sind, Probleme dieser Art aufzufangen. Ob und in welchem Maße die genannten Vor- und Nachteile bei der Teamarbeit zum Tragen kommen, hängt von verschiedenen Faktoren ab. In jedem Fall sollte der Einsatz von Arbeitsgruppen durchdacht und eingebettet in eine sinnvolle Gesamtstrategie erfolgen. Auch die Zusammensetzung des Teams spielt sowohl hinsichtlich der zu bearbeitenden Aufgabe als auch bezüglich der involvierten Charaktere eine entscheidende Rolle. Doch wie sich ein Team letztendlich entwickelt, ist im Vorhinein kaum absehbar, da miteinander agierende Menschen Beziehungen und Dynamiken entwickeln, die nicht kontrollierbar sind. Das Verstehen von Teamprozessen kann in jedem Falle hilfreich sein.
3.4.2 Teambildung
Nach dem Modell von Tuckmann bilden sich Teams in fünf Stufen :
1.) Zusammenstellung der Gruppe,
2.) Konflikte innerhalb der Gruppe,
3.) Gemeinsame Werte und Normen bilden sich heraus und ein Zusammengehörigkeitsgefühl entsteht – die Gruppe wird zum Team,
4.) Gemeinsam wird das Erreichen des Ziels angestrebt,
5.) Auflösung der Gruppe (vgl. Rahn 2010, S. 13).
Aus einer formellen Gruppe entsteht somit ein informelles Team, dessen Bildung „durch die wahrgenommene Ähnlichkeit zwischen den beteiligten Personen und durch die Häufigkeit der zwischenmenschlichen Kontakte gefördert“ (Rahn 2010, S. 17) wird. Je mehr Kontakt Menschen miteinander haben, desto wahrscheinlicher treten freundschaftliche Gefühle auf. Des Weiteren fördert steter Umgang die Entstehung von gemeinsamen Gruppennormen, deren Einhaltung intern überwacht wird und führt zu ausgeprägter Binnengruppen-Solidarität - der Abgrenzung der eigenen Gruppe gegenüber Außengruppen (vgl. ebd., S. 18f.). All dies fördert die Entstehung des für Teams typischen Wir-Gefühls.
Im Laufe des o.g. Teambildungsprozesses kommt es etwa zwischen Schritt zwei und drei zur Herausbildung einer Rangordnung in der Arbeitsgruppe. Den Mitgliedern wird dabei ein Status zugewiesen, an den eine Rolle mit Verhaltenserwartungen geknüpft ist (vgl. ebd., S. 14f.). Der Status kann anhand der sozialen oder psychotelen Ordnung bewertet werden: Ersteres beschreibt Einfluss und Macht, die das Teammitglied innehat (z.B. Teamsprecher), während die psychotele Ordnung die Beliebtheit der Person zum Ausdruck bringt (vgl. Persigla 2003, S. 26). Die Herausbildung mindestens eines informellen Führers sowie mindestens eines Außenseiters ist höchst wahrscheinlich (vgl. Rahn 2010, S. 57).
Status und damit verbundene Rollen dienen der Sicherung des Teamfortbestandes und dem Erreichen des Teamziels. Es wird zwischen drei Rollenarten unterschieden: Steht die Gruppenleistung im Vordergrund, handelt es sich um eine sog. Gruppenleistungsrolle; Fokussiert sich die Rolle auf das Verhalten des Teams spricht man von einer Gruppenerhaltungsrolle und strebt das Teammitglied überwiegend nach der Umsetzung eigener Ziele, bekleidet es eine Individualrolle (vgl. ebd., S. 15). Eine ausgewogene Mischung aller drei Formen ist ideal für die Teamzusammensetzung. Bei zu vielen Individualrollen wird das Erreichen des Teamziels erschwert; andererseits führen zu viele Gruppenleistungsrollen aufgrund der Ausklammerung persönlicher Interessen der Mitglieder zu Frustration und Motivationsverlust. Schließlich kann auch auf Gruppenerhaltungsrollen, die einen Zerfall des Teams verhindern, nicht verzichtet werden (vgl. ebd., S. 16).
3.4.3 Gruppeneffekte
Bei der Betrachtung von Teams sind neben den verschiedenen Rollen der Teammitglieder auch die Effekte, die bei der Arbeit in Gruppen deutlich werden können beachtenswert. Zunächst einmal hat bereits die bloße Anwesenheit anderer Menschen Auswirkungen auf die Arbeitsweise Einzelner. Im günstigsten Fall wirkt dieser sog. „mere-presence“-Effekt leistungssteigernd, da die potenzielle Bewertung der anderen dazu anregt, eine möglichst gute Performanz zu bieten (vgl. Wegge 2004, S. 59f.). „Die durch andere Personen erhöhte Arbeitsmotivation und Zunahme der Anstrengung steht also klar im Dienste der persönlichen Identität, weil es darum geht, dass Ich (Herv. i.O.) mich in dieser Situation (im Wettbewerb mit einem anderen Individuum) als klug, fähig, geschickt etc. erweise.“ (ebd., S. 60). Positive Auswirkungen derartiger Bewertungssituationen zeigen sich besonders bei einfachen, dem Individuum vertrauten Aufgaben. Bei schwierigen oder neuen Situationen kann es hingegen zu Leistungseinbußen kommen. In diesem Fall kann derartige Angst vor einem schlechten Urteil entstehen, dass die Person in ihren Handlungen (und demzufolge auch Leistungen) gehemmt wird (vgl. ebd., S. 88f.). Bei der Arbeit in einem Team erfolgt die finale Bewertung i.d.R. anhand des Gruppenergebnisses und nicht anhand der individuellen Leistung: Der Auftritt von unbewusstem „social loafing“ ist somit unvermeidbar. Die eigenen Beiträge zur Erreichung des Teamziels werden dabei unabsichtlich gering gehalten, da es einerseits immer „einen anderen“ gibt, der etwas tun oder sagen könnte und die Leistungen der restlichen Teammitglieder auf der anderen Seite, besonders bei starker Identifikation mit dem Team, als die eigenen angesehen werden. Die persönlichen Anstrengungen werden demzufolge keineswegs als zu gering eingeschätzt, sondern als angemessen betrachtet (vgl. ebd., S. 87f.). Anders verhält es sich, wenn die Entscheidung zur Leistungsrücknahme, nach Einschätzung des eigenen Beitrags als unnötig und überflüssig, bewusst getroffen wird. Hat der- oder diejenige das Gefühl, das Gruppenziel wird auch ohne sein oder ihr Zutun erreicht, kommt es im Sinne der Ressourcenschonung zum gezielten „Trittbrettfahren“ (vgl. ebd., S. 90). Bei den anderen Teammitgliedern, die dieses Verhalten bemerken und als Fehlverhalten einstufen, kann als eine Form des Protestes der „sucker effect“ auftreten: Wird bemerkt, dass man sich selbst in einer Gruppe von Trittbrettfahrern übermäßig für die Erreichung des Gruppenziels anstrengt, will man nicht länger „der Dumme“ sein – die Konsequenz ist eine Leistungsrücknahme (vgl. ebd., S. 90f.). Andererseits kann die Arbeit in einer als schlecht eingeschätzten Gruppe auch leistungssteigernd wirken: „Der ‚social compensation‘-Effekt besteht darin, dass sich ein Gruppenmitglied besonders stark anstrengt, obwohl bzw. weil andere Gruppenmitglieder keinen (Herv. i. O.) wesentlichen Beitrag zum Erfolg der Gruppe liefern werden.“ (ebd., S. 62). Die Motivation für kompensierendes Verhalten kann entweder die Deckung schlechter Teammitglieder, der Wunsch, sich durch besondere Anstrengungen positiv hervorzuheben (vorausgesetzt, es ist bei der Bewertung des Gruppenergebnisses erkennbar) oder die sehr starke Identifikation mit dem Team sein. Leisten die anderen Teammitglieder allerdings über einen langen Zeitraum kaum Beiträge zum Erreichen des Teamzieles, wird das Auftreten und Bestehen des „social compensation“-Effekts immer unwahrscheinlicher (vgl. ebd. S. 62f.). Neben der Leistungsreduktion als Protest gegen die TeamkollegInnen („sucker effect“), gibt es auch jene, die als Protest gegen eine andere, statushöhere Gruppe angewandt wird („soldiering“). „…[D]ie Person [will] mit ihrer bewussten Leistungsrücknahme der fremden Gruppe signalisieren, dass die von ihr definierten Standards und Werte nicht legitim (Herv. i. O.) sind.“ (ebd. S. 91). Um den gewünschten Effekt möglichst ohne teaminterne Konflikte zu erreichen, ist eine Beteiligung mehrerer Mitglieder nötig. Abschließend möchte ich noch auf zwei Phänomene eingehen, die mit der im vorangegangenen Kapitel beschriebenen Entwicklung gemeinsamer Gruppenwerte und -normen zusammenhängen: Der Polarisierungseffekt und das sog. Gruppendenken. Ersterer beschreibt die „…Tendenz von Gruppen, solche Entscheidungen zu treffen, die deutlich extremer (Herv. i. O.) ausfallen als die gemittelte (durchschnittliche) Entscheidung aller einzelnen Gruppenmitglieder.“ (ebd. S. 79). In Abhängigkeit der mehrheitlich vorhandenen Einstellungen, kann dies sowohl extrem risikofreudiges als auch extrem risikoscheues Verhalten bedeuten. Eng damit verbunden ist das sog. Gruppendenken, das zu falschen, dem Außenstehenden geradezu absurd erscheinenden Entscheidungen führen kann; besonders da die in Gruppen vorhandene Meinungsvielfalt eigentlich vor genau dieser Art Fehler bewahren sollte. Allerdings favorisieren Teams tendenziell Lösungen, die mit den teameigenen Normen und Werten konform sind. Natürlich muss es nicht zwingend zu Gruppendenken kommen, besonders dann nicht, wenn die Teammitglieder reflektiert sind und ausreichend Zeit zur Verfügung haben. Jedoch können Faktoren wie Stress, ein parteiischer (informeller) Führer oder falsche bzw. ungenügende Informationsverbreitung begünstigend wirken (vgl. ebd. S. 79f.).
Zusammenfassung
Der Einsatz einer Arbeitsgruppe sollte nach sorgfältiger Abwägung der Vor- und Nachteile geschehen. Die jetzige gesellschaftliche und wirtschaftliche Situation führt jedoch prinzipiell zu einer Tendenz zum Teameinsatz. Ein Team unterscheidet sich besonders durch das sog. Wir-Gefühl - der Identifikation der Mitglieder mit dem Subsystem, dem sie angehören, von einer Gruppe. Die Teammitglieder nehmen einen bestimmten Status innerhalb des Teams ein, der dem Individuum anhand formeller Macht (sozialer Status) oder der Beliebtheit (psychoteler Status) zugeschrieben wird. An den Status ist eine Rolle geknüpft, die in eine der drei folgenden Kategorien fällt: Gruppenleistungsrolle, Gruppenerhaltungsrolle oder Individualrolle. Weiterhin entwickelt ein Team gemeinsame Werte und Normen, die sich i.d.R. an der Mehrheit orientieren und vom Rest übernommen werden. Aber auch ein dominantes Teammitglied kann hierbei ausschlaggebend sein. Bei der Arbeit im Team, kann es zu diversen Phänomenen kommen, die den Arbeitsprozess fördern oder hemmen können. Die bloße Anwesenheit anderer Menschen, das Arbeitsverhalten der übrigen Teammitglieder oder die Anforderungen der Führung können Verhaltensweisen wie den „social compensation“-Effekt oder „soldiering“ provozieren. Hinsichtlich des Planspiels ist es hilfreich zu verstehen, was ein Team ausmacht, wie sich ein starkes Wir-Gefühl auf die Haltung gegenüber Außengruppen auswirkt und welche Probleme und Hürden die Arbeit in einer Gruppe mit sich bringen kann. In thematischer Anlehnung sei hierbei besonders auf Kapitel 6.4 (Personalbeschreibung) und 6.5 (Probleme) verwiesen.
Literatur
Graf, K.J. (2010). Auswirkungen der Aufgabenverteilung in Führungsteams im Lichte organisationstheoretischer Erkenntnisse. Mering: Rainer Hampp Verlag.
Gebert, D. (2004). Innovation durch Teamarbeit. Eine kritische Bestandsaufnahme. Stuttgart: W. Kohlhammer GmbH.
Persigla, L. (2003). Personalführung bei Teamarbeit. Oldenburg: Carl v. Ossietzky Universität
Rahn, H. (2010). Erfolgreiche Teamführung (6. Auflage). Hamburg: Windmühle Verlag GmbH
Wegge, J. (2004). Führung von Arbeitsgruppen. Göttingen: Hogrefe-Verlag.