4.3.1 Grundlagen

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Gundlagen

Im Gegensatz zur Expertenberatung, der rationalen Problemanalyse durch einen Experten mit fundiertem Wissen und der entsprechenden Empfehlung für das Unternehmen, welches die Beratungsleistung in Anspruch genommen hat, stellt die Prozessberatung ein „konkurrierendes, fast konträres Beratungsparadigma dar“ (Schache 2012, S. 12). Bei der Prozessberatung wird nicht von einer universalen, individuell anpassbaren Optimierungs- und Lösungsmöglichkeit ausgegangen, die durch Top-down Ausrichtung geprägt ist, sondern der Kern der Lösung liegt in der Organisation selbst und somit einem Bottom-up-Prozess. Der Begriff der „Prozessberatung“ und das dahinterliegende Konzept wird mit E. H. Schein verbunden, der diese selbst als „Philosophie, [Technik oder Methodik] des Helfens“(Schein 2000, S. 13) versteht und 1969 unter gleichnamigem Titel mit inhaltlicher Ausrichtung von organisatorischen Change Prozessen publiziert hat. Prozessberatung kann dabei verstanden werden als Aktivität und philosophische Grundlage der Organisationsentwicklung. Dabei gehen Organisationsentwicklung und Prozessberatung vom „lernfähigen Menschen aus, der in der Organisation dem Anspruch nach, im Mittelpunkt steht und durch sein Verhalten und seine Initiative die Entwicklung der Organisation bestimmt“ (Walger 1995, S. 7). Im Ansatz der Prozessberatung wird demnach davon ausgegangen, dass die Expertise in der Organisation selbst schon weitestgehend vorhanden ist und der Berater im Sinne der „Hilfe zur Selbsthilfe“ fungiert. Der außenstehende Berater kann mit seinen Kompetenzen der Prozessbegleitung helfen, da er selbst „nie genug über die gegebene Situation und Kultur einer Organisation [weiß], um dieser bestimmte Maßnahmen zur Behebung ihrer Probleme empfehlen zu können“ (Schien 2000. S. 39). Das Ziel der Prozessberatung besteht demnach darin, eine Beziehung zum Auftraggeber aufzubauen, die das vorhandenen Wissen innerhalb der Organisation zum Vorschein bringt (Moldaschl 2001, S. 139). Dabei stehen im Gegensatz zur Expertenberatung weniger der Inhalt und die Methode, die zur effizienten Lösung führt, im Fokus als der Prozess zwischen Berater und Kunde/Klient.

Das Wesen der Organisation als Organismus

Dem mechanistischen Verständnis von Organisation wie es in der Entstehung der Expertenberatung vorherrscht und dieser zugrunde liegt, wird Mitte des 20. Jahrhunderts durch die Human-Relation-Bewegung die Dimension der Menschlichkeit und die Bedeutung der zwischenmenschlichen Interaktion entgegengestellt (von Ameln, Kramer & Stark 2009, S.63). Die durch „Taylorismus und Fordismus [...] erhoffte[...] dauerhafte Disziplinierung der Arbeiter“ (Kieser & Walgenbach 2003, S.36) blieb aus und führte zu der Einsicht, dass die alleinig rationalorientierte und auf einem mechanistischem Verständnis aufbauende, „wissenschaftliche Betriebsführung“ nicht ausreicht, um Motivation und Leistung der Arbeiter zu steigern und aufrecht zu erhalten (ebd.). Im Gegenteil wird sogar Gedanke laut, dass derartig ausgestaltetes Management mit dessen unmenschlicher Produktionslogik und Führungskultur zu Leistungsabfall und schlechter Arbeitsmoral führen (von Ameln, Kramer & Stark 2009, S.63.). Als einer der förderlichen Faktoren für die sich ändernden Perspektive auf Arbeit und Organisation gelten die sogenannten Hawthorne-Experimente (Roethlisberger/Dickson 1939). Zwischen 1924 – 1932 in der Western-Electric Company durchgeführt, bestand das eigentliche Ziel der Forscher in dem Ergründen der Zusammenhänge zwischen Arbeitsplatzbeleuchtung und Arbeitsleistung. Die Erkenntnis aus den Experimenten lag jedoch in der Bedeutung des zwischenmenschlichen Faktors. Die Leistung der Arbeiter stieg mit Interesse und Wertschätzung, durch die Anwesenheit der Forscher, an, unabhängig davon, ob die Beleuchtung intensiviert oder auf ein Minimum reduziert wurde (Kieser & Walgenbach 2003, S.37). Unabhängig von heute kritisierten methodischen Fehlern, entstand die Grundlage für eine Sicht auf „industrielle Organisation als soziales System [...]. Mit ‚System’ ist etwas gemeint, das als Ganzes angesehen werden muss, weil jeder Teil in einer Wechselwirkungsbeziehung zu jedem anderen Teil steht“ (Roethlisberger & Dickson 1939, S. 551). Gefördert durch diese Experimente entstand in der Human-Relation-Bewegung ein neues Verständnis von Organisation als ganzheitliches System mit der „Metapher der Organisation als Organismus“ (u.a. von Ameln, Kramer & Stark 2009, S. 63). Wenn man von diesem Bild ausgeht, bezieht diese Perspektive auf Organisation, einzelne Elemente wie Organe im Zusammenspiel innerhalb eines Organismus ein; der Arbeiter ist von Bedeutung ebenso wie die administrative Führung. Ein erfolgreiches System kann dabei nur in einem störungsfreien Zusammenspiel der Elemente funktionieren (ebd.).

Anders als in Beratungsansätzen, die vom Bild der Maschine geprägt sind und somit innerhalb von Beratungs- und Veränderungsprozessen der einzelne Mensch innerhalb der Organisation nur wenig Bedeutung erlangt, führt innerhalb eines Beratungsansatzes, der auf das Bild einer Organisation als Organismus zurückzuführen ist, jede Einwirkung auf einen Teil der Organisation zu entsprechenden, schlecht vorhersagbaren Folgen für das gesamte Zusammenspiel der Organisation (von Ameln, Kramer & Stark 2009, S. 63). In Abgrenzung zur systemischen Beratung, die „Unternehmensorganisationen als autopoetische System [betrachtet], die rekursiv-geschlossen sind“ (Walger 1995, S. 12) geht die Organisations- entwicklung bzw. Prozessberatung von „Organisation als offenem System [aus]“ (ebd.).


Der Beratungsprozess und die Rolle des Berater

Dieses der Expertenberatung gegensätzliche Verständnis von Organisation und Beratung führt folglich auch zu einer anderen Rolle des Beraters. Während innerhalb der Expertenberatung der Berater eine Rolle einnimmt, aus der heraus er aufgrund seines Wissens Diagnosen stellen kann, die klare Handlungsanweisungen mit sich bringen, nimmt der Berater in der Prozessberatung eher die Rolle „des Katalysators in einem Selbstheilungsprozess“ (Schiersmann & Thiel 2014, S. 32) an. Ausgehend von den impliziten Wissensbeständen der Organisation verhilft der Berater durch sein prozessuales Wissen Veränderungen hervorzubringen. Dabei ist nach Doppler & Lauterburg (2005, S. 156) partizipatives Vorgehen für den Prozess wichtig, da „ein begleitet den Veränderungsprozess partizipatives Vorgehen zu besseren Entscheidungen und praxisgerechteren Lösungen [führt], die Einbeziehung der Mitarbeiter deren Motivation [fördert] sowie ihre Identifikation mit dem Unternehmen [erhöht]“. Ein Veränderungsprozess, der durch Partizipation gekennzeichnet ist, kann demnach gar nicht zu Lösungen führen, die vom Experten vorgegeben sind, sondern die Expertise des Beraters besteht in der Fähigkeit die Organisation soweit zu begleiten, durch methodisches, kommunikatives Vorgehen unterstützt, dass die Organisation selbst zur Lösung findet, wodurch die Beteiligung möglichst aller erwünscht ist. In die Prozessberatung strömen dabei folgenden, zusammenwirkende, stets fortlaufende Basisprozesse ein: Diagnose- Prozesse, Strategieprozesse, Psychosoziale Prozesse, Lernprozesse, Informationsprozesse, Umsetzungsprozesse, Change-Management-Prozesse (von Ameln, Kramer & Stark 2009, S.68ff.).

Die Prozessberatung folgt weniger einem starren Schema der Bearbeitung und des Fortschreitens im Beratungsprozess, dennoch können die einzelnen Phasen umrissen werden. Beginnend bei der ersten Phase der „Kontakt- und Kontraktphase“ wird der Dialog zwischen Berater und Unternehmen gestartet und es erfolgt die Auftragsklärung. In dieser Phase wird vor allem die Beziehung zum Kunden aufgebaut. Der erste Kontakt zum Kunden sollte dabei möglichst durch ein persönliches, reales Treffen gestaltet sein. Gefolgt von einem Startszenario z.B. mittels Workshop, in dem durch dialogische Auseinandersetzungen die Fragen, Probleme und die wahrgenommene Situation des Unternehmens herausgearbeitet werden und aus einem diffusen, evtl. vordergründigen Stadium enthoben werden. Als Grundlage allen weiteren Vergehens und der Zusammenarbeit steht am Anfang die „detaillierte Klärung des Auftrags und die Ausarbeitung eines klaren Kontrakts zwischen dem Auftraggeber, den Beteiligten und dem Berater“ (Schiersmann &Thiel 2014, S. 27). Dabei ist sowohl das Engagement der Leitung als auch die Partizipation der Mitarbeiter von hoher Relevanz. Schiersmann und Thiel schlagen neben der Erstellung einer Prozessarchitektur zur Übersicht des ersten, geplanten Ablaufs (vgl. S. 48ff.) die Aufstellung einer Koordinierungsgruppe (vgl. S. 40ff.) als ein sinnvolle Maßnahme für einen erfolgsversprechenden Prozess vor. Da besonders die Partizipation aller Mitarbeiter für den Veränderungsprozess relevant ist, steht am Anfang die Einbindung und der Aufbau des Vertrauens eines jeden Mitarbeiters nach dem Prinzip des „Betroffene zu Beteiligten [...] machen“ (Schiersmann &Thiel 2014, S. 109), um so zu aktivieren und zu motivieren. Im Weiteren werden darauffolgend bestimmte Arbeitsfelder eröffnet. Schiersmann &Thiel sprechen von Projekten und dem Aufbau und der Durchführung entsprechender Umsetzungsstrategien. Diese Projekte ergeben sich aus den herausgearbeiteten, als veränderungswürdig angesehenen Bereichen des Unternehmens und können z.B. kategorisiert werden nach Strategieentwicklung, Teamentwicklung oder dem Wissens- und Kompetenzmanagement. Es schließt sich die Phase der Evaluation und der Blick auf die Nachhaltigkeit an, die wiederum zu einer neuen Auftragsklärung führen kann, da weitere Arbeits- und Projektfelder deutlich werden (Schiersmann &Thiel 2014, S. 24).